13•03•2021

Feminismus im Wandel?

Im letzten Herbst hat Sabine mit ihrer Tochter ein spannendes Projekt gestartet. Die beiden wollen sich in einem Buch damit auseinandersetzen, wie sich Feminismus mit der Zeit entwickelt hat und wie diese Wandlung von verschiedenen Generationen wahrgenommen wird.

Ich finde dieses Thema megaspannend, weil ich einfach glaube, dass die junge Generation einen völlig anderen Umgang mit diesem Thema hat. Was bei unserer Generation manchmal noch etwas holprig daherkommt, ist bei den jungen Frauen total selbstverständlich.

Sabine hat hierfür viele Frauen zum Thema Feminismus interviewt. Unter anderem auch mich. ;-) Hier ein Auszug aus unserem Interview.

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Sabine: Welche Rolle spielt Feminismus in deinem Leben?

Uli: Ich denke schon, dass Feminismus eine Rolle in meinem Leben spielt. Auch aus meiner persönlichen Geschichte heraus. Die Generation unserer Mütter hatte nach meinem Empfinden so ganz wenig feministische Züge und aus diesem Bewusstsein heraus hat sich da, bei mir schon relativ früh, ein starkes Verlangen nach Gleichberechtigung und Rollenverteilung eingestellt. Ich weiß nicht mehr, wann ich das erste Mal bewusst über Feminismus nachgedacht habe? Mit 20 vielleicht? Ich denke, in der Generation unserer Eltern war das so gut wie gar nicht präsent. Die erste Nachkriegsgeneration war noch derartig geprägt von irgendwelchen Kriegsgeschichten, dass meine Mutter die Rollenverteilung einfach - ohne zu hinterfragen - übernommen hat. Interessanterweise hinterfragt sie diese Rolle jetzt sehr oft.

Sabine: Was bedeutet Feminismus für dich? Beziehungsweise, was bedeutet Feminismus für dich heute im Gegensatz zu früher? 

Uli: Für mich hat Feminismus viel mit Gleichberechtigung und Gleichheit zwischen Mann und Frau zu tun, auch mit einer gleichen Rollenverteilung, sowohl im häuslichen Bereich wie natürlich auch im Berufsleben. Das ist mir persönlich sehr wichtig.

Ich glaube, Feminismus hat heute schon nochmal einen größeren Stellenwert für mich, weil ich einfach über die Jahre, durch meine Erfahrungen und meine Erlebnisse, ichbezogener geworden bin, auch in Bezug auf meine Rolle als Frau. In unserer Jugend haben wir uns mehr in vielen Dingen untergeordnet, auch schon aus der Geschichte unserer Eltern heraus. Wir kannten es nicht anders. Und ich musste ja auch erst zu diesem „Freigeist“ werden, das war ganz sicher eine Entwicklung.


Feministin zu sein, ist das Mindeste, was eine Frau tun kann! Rita Süssmuth


Sabine: Welche Rolle spielt dein Äußeres in deinem Leben?

Uli: Ich würde sagen, schon eine relativ große. Auch wenn ich sie immer wieder anzweifle oder hinterfrage. Aber das ist natürlich auch von Kinderbeinen an irgendwie konditioniert. Da ist man in einer Art Tretmühle, und da bewusst herauszutreten und dem auch bewusst entgegenzutreten, das ist schon oft noch sehr schwierig. 

Und ich merke dann, dass ich auch ganz schnell wieder in alte Rollen zurückfalle. Ich finde dieses sich reduzieren auf Äußerlichkeiten, oder dass das auch so einen großen Stellenwert einnimmt, ist auf alle Fälle eine Beeinträchtigung.
Ich verlasse dadurch meine Mitte, weil ich auf meine Außenwirkung bedacht bin und natürlich oft Dinge mache oder nicht mache, die vielleicht jetzt eher auf eine Erwartungshaltung von außen basieren als auf dem, was mir gut täte oder was ich selber wollen würde.

Sabine: Gab es Situationen, die deine Wahrnehmung in Bezug auf dein Äußeres beeinflusst haben, z.B. durch Werbung, Zeitschriften, Kommentare, Filme?

Uli: Ach, ich glaube, es ist viel mehr als irgendwie Werbung und Filme oder sonst irgendwas. Dadurch, dass ich aus der Werbung komme und explizit viel in diesen Themenbereichen arbeite, weiß ich auch, wie manipulativ das Ganze ist oder wie hier alles manipuliert wird. Deswegen sehe ich das schon eher realistisch. Also diese Sachen, die einem da vorgegaukelt werden, sehe ich eher abstrakter.
Es sind mehr die Menschen in meiner direkten Umgebung, die mich beeinflussen, wenn sie ihre Meinung äußern. Wenn jemand abfällig über andere sagt: Was hat die denn jetzt für einen fetten Arsch gekriegt? Dann beziehe ich das schon mal schnell auf mich.

Sabine: Gab es Situationen, in denen dein Äußeres bewertet wurde, obwohl es nicht relevant für die tatsächliche Situation war? 

Uli: Ich glaube, diese Situation haben wir doch alle irgendwie durchgemacht, ob bewusst oder unbewusst, ob mit oder ohne Absicht. Da gab es diesen Professor in meiner Studienzeit, der hat immer seine Studentinnen eingeladen. Er hatte irgendwo ein Ferienhaus in der Pfalz. Ich bin zwar nie mitgefahren, aber von ihm angemacht gefühlt habe ich mich schon. Während der Vorlesungen kam er immer so ganz nah an einen ran. Das war einfach nicht pc. Und im Nachhinein denke ich oft, wie respektlos das den Studentinnen gegenüber war und auch, wie sehr er seine Position ausgenutzt hat.
Und natürlich zu Agenturzeiten:
Ich finde, da ist auch unsere Branche so extrem oberflächlich. Es war immer irgendwie wichtig, dass man gut aussieht und irgendwie adrett daherkommt. Ich habe das schon so empfunden. Und schlimmer noch, man hat sich sogar geschmeichelt gefühlt und gedacht, die finden dich jetzt richtig toll. Heute denke ich mir: Wahnsinn, diese dominante Männerwelt, wie sie sich alle toll und unwiderstehlich vorkamen. Dabei haben sie alle doch nur mit Wasser gekocht, haben sich aber dabei besonders gut gefühlt.

Wir haben das damals einfach noch nicht so gecheckt, was da so abgeht. Im Gegenteil, wir haben uns sogar ein bisschen gebauchpinselt gefühlt, und gedacht: Guck an, der findet dich jetzt gut. Ich habe das damals nicht als sexistisch empfunden. Wenn ich allerdings heute darüber nachdenke …


Es ist schlicht und einfach das Recht der Frauen, die Hälfte der Macht für sich zu beanspruchen. Alice Schwarzer


Sabine: Findest du, dass sich Schönheitsnormen mit der Zeit gewandelt haben?

Uli: Ja, ich denke, da ist auf alle Fälle etwas passiert. Ich meine, es entwickelt sich ständig weiter und Gott sei Dank ist es so! Das klassische Schönheitsideal 90-60-90, dem alle nachgeeifert sind, gibt es so nicht mehr. Im Gegenteil, es gibt jetzt durchaus ein totales Bewusstsein für kompaktere Frauen. 
Bei den Frauen ist einfach viel passiert. Schau dir die Generation nach uns an, wie wahnsinnig selbstbewusst diese jungen Frauen sind, mit sich und ihrem Körper. Das finde ich richtig klasse. Das bewundere ich. Die scheren sich ja um nichts, wie sie sich kleiden. Ich denke mir immer, das hätte ich mich so früher nie getraut. Die Frauen laufen mit irgendwelchen Hotpants durch die Gegend, und ich denke mir, klasse, dass die das machen!
Es hat ein Umdenken stattgefunden. Die sind selbstbewusst, scheren sich nicht mehr um ihre Außenwirkung und was andere dazu sagen. 
Das finde ich ist schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung.

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Sabine: Erinnerst du dich an Situationen, beim Babysitten, bei deiner Erziehung bzw. bei der Erziehung deiner Kinder, in der du ganz klar nach deinem Geschlecht erzogen wurdest?
(Beispiel: Das macht ein Mädchen nicht!)

Uli: Ich denke, in meiner Erziehung war es ganz sicher noch so. Dieses klassische Mädels- und Jungsbild. Dadurch, dass ich einen Bruder habe, hatte ich auch immer einen direkten Vergleich dazu. Das ging los, mit am Abend weggehen. Ich hab mir das sehr hart erkämpfen müssen, dass ich als Mädchen bis 22 Uhr wegbleiben durfte, und wurde dann auch immer von meinen Eltern abgeholt. Die standen dann schon vor der Tür. Völlig peinlich. 
Das war bei meinem Bruder ganz anders. Der war, glaube ich, noch keine 16 und war schon bis Mitternacht unterwegs. 
Aber klar, da gab es natürlich auch andere Beispiele. Als Mädchen wurde ich zur Selbstständigkeit erzogen, während meinem Bruder alles nachgetragen wurde. Also eigentlich das, was immer an den Männern bekrittelt wurde, wurde hier ganz selbstverständlich weitergeführt. 
Klar war auch, ich helfe im Haushalt, während es von meinem Bruder nicht so wirklich eingefordert wurde. Wobei eingefordert wurde es schon, er hat es halt nicht gemacht und das war dann auch ok. 
Ausbildungstechnisch wurde bei uns kein Unterschied gemacht: Für meine Eltern war es völlig ok und völlig klar, dass ich Abitur machen und studieren wollte. 

Bei meinem Sohn versuche ich auf alle Fälle, die klassische Rollengeschichte aufzubrechen. Er wird so erzogen, dass er zum Beispiel den Haushalt ganz selbstverständlich auch als seine Aufgabe sieht. Da bringt er sich auch wahnsinnig ein und es macht ihm Spaß. 

Ich habe ihm auch nie gesagt, dass Jungs nicht weinen sollen. Sein Großvater hingegen meinte oft zu ihm: „Du bist doch ein Junge, die weinen nicht!“


Man kommt nicht als Frau auf die Welt, man wird es. Simone de Beauvoir


Sabine: Wie denkst du über die Frauenquote?

Uli: Ich weiß nicht, ob die Frauenquote, die jetzt gesetzlich eingefordert wird, wirklich eine richtige Frauenquote ist. Ich rede von der Jetzt-Situation. Da werden Stellen mit Frauen besetzt, weil es gesetzlich gefordert ist. Ob die Frauen dann wirklich zum Zuge kommen und ihre Möglichkeiten ausschöpfen können, bezweifle ich.
Ich meine, es gibt genügend männerdominierte Branchen, wo es nach wie vor ganz schwierig ist, siehe Automobil.
Ich habe oft das Gefühl, dass Männer bewusst schwache Frauen an Schlüsselpositionen setzen und diese dann als Marionette benutzen. 

Es müssen einfach genügend Frauen, starke Frauen da sein, die diese Positionen besetzen, weil sie da genau richtig sind, weil sie da hingehören und weil sie sich dahin arbeiten oder gearbeitet haben. Das wäre die bessere Lösung und nicht, weil es eingefordert wird.

Sabine: Wie sehr hast du die #metoo-Debatte mitverfolgt und was ist deine Meinung dazu?

Uli: Ich habe es natürlich mitverfolgt, es ist ja sehr präsent. Ich denke, jede von uns hat wahrscheinlich ähnliche Situationen auch schon mal erlebt. Mehr oder weniger schlimm. Und ich glaube, diese Bewegung hat ganz sicher irgendwelche Erinnerungen hochgeholt, oder? 
Das Thema ist auf alle Fälle sensibler geworden, denn man hat den Frauen eine Plattform dafür gegeben. Viele haben sich nicht getraut, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie Angst um ihren Job oder ihr Ansehen hatten. Da hat ganz sicher eine Veränderung stattgefunden und das Bewusstsein ist ein anderes.


The future is female


Sabine: Das Gendern von Sprache ist ja gerade jetzt in der Feminismus-Debatte höchst aktuell und wird heiß diskutiert. Was denkst du über das Gendern von Sprache?

Uli: Prinzipiell ist es natürlich gut. Ich glaube, wir in unserer Generation tun uns alle noch ein bisschen hart, weil es einfach noch etwas Ungewohntes ist. Und weil man es im Gespräch noch nicht berücksichtigt. Das ist noch nicht bei uns in den Köpfen oder bei mir ist es auch noch nicht so präsent angekommen, dass ich es automatisch benutze. Ich meine, wir haben ja beide schon Beispiele erlebt. Automatisch machen das ja interessanterweise Frauen in Positionen, die einen Einfluss haben und einen Einfluss nehmen möchten auf die Gesellschaft. Wie gesagt, ich tue mich persönlich hart damit, aber ich finde es prinzipiell natürlich sehr gut.

Sabine: Wie präsent ist das Gendern von Sprache in deinem Alltag? Wie sehr integrierst du es in deine alltägliche Sprache?

Uli: Ich benutze es leider kaum. Die Generation deiner Töchter, für die wird es etwas ganz Normales sein. Die wachsen ja damit auf. Finde ich gut. Sie wenden das bewusst an und dadurch hat das auch eine Normalität. Wenn ich das jetzt so in einem Gespräch anwende, hat es für mich etwas krampfiges. Ich weiß, dass mein Umfeld darüber spötteln würde: Hat sie jetzt irgendwie eine feministische Anwandlung, oder hat sie gar einen Sprachfehler? Ich glaube auch, dass die Männer unserer Generation da noch nicht angekommen sind. Ich glaube, sie haben das Gefühl, man rüttelt jetzt an ihrem eigenen Machtgefüge. Für uns Frauen ist es eine Bestätigung. Es passiert was, wir werden mehr wahrgenommen, auch sprachlich.
Sprachliche Präsenz durch Gendern wird etwas am Selbstbewusstsein der Frauen verändern. Im Moment verhandeln ja Frauen im Business eher noch verhuscht.

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Sabine: Immer mehr Männer fangen (zwangsläufig) auch an, sich mit dem Thema Feminismus zu beschäftigen. Wie denkst du darüber?

Uli: Ich glaube, sie beschäftigen sich damit, weil sie gar nicht mehr anders können. Es wird einfach eingefordert, von der Gesellschaft und von den Frauen. 
Es ist ein immenser Druck da, der wird jetzt aufgegriffen, und den muss man aufgreifen, weil es sonst vielleicht auch eskalieren würde. Die Männer sind nach wie vor in der besseren Position, sie werden besser bezahlt. Also, ich meine, warum sollen sie freiwillig etwas verändern? 

Sabine: Was sind deine famous last words zu diesem Thema? 

 

Uli: Go for it!

Fotos: Vielen Dank an Moritz Heppel ;-) 


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Kommentare

FTF, Sabine Fuchs

Liebe Uli,
danke für deine ehrlichen Antworten :))
LG
Sabine

FTF, Uli Heppel

Antwort auf von FTF, Sabine Fuchs

Liebe Sabine,
was für ein unglaublich spannendes Thema mit so viel Potential. Ich glaube darüber könnten wir nächtelang sprechen. So wie früher eben, in unserer Studienzeit. Da haben wir oft nächtelang diskutiert über die Dinge, die uns so beschäftigt haben. ♡ Uli

Elke Fischer

Hallo! Ehrliches Interview!

Annette Hölle

Ja, der Weg ist noch ein ganzes Stück lang - er lohnt sich für uns und unsre Töchter und Enkelinnen, - die hoffentlich selbstverständlich und ganz natürlich damit leben können. Ein Ziel für das es sich lohn! Vielen Dank für euren Blog.

Liebe Annette,
ich fürchte auch, dass der Weg nicht etwas länger ist. Aber immerhin gibt es einen Weg und es lohnt sich auf jeden Fall immer. Danke für deine lieben Worte. ♡ Uli

Juliane Braun

Früher habe ich mich nie als Feministin empfunden. Bin einen eher männlichen Berufsweg gegangen - in dunklen Anzügen. Erst mit 50+ wird mir vieles bewußt und ich erforsche, was Frau sein bedeutet. Ich glaube wir hatten es in der Schule leichter: ich gehörte zu denen, die keine engen Jeans getragen und nicht geraucht haben. Wir wurden nicht zu Partys eingeladen, aber auch nicht gemobbt. Ich denke da ist heute viel mehr Druck, einem Bild zu entsprechen. Bei mir im Ort sehe ich gefühlt fast nur schlanke Gymnasiastinnen mit langen glatten Haaren in einem trendigen Look. Ich glaube da gibt es in Punkto So-Sein-Düfen-Wie-Ich-Bin noch gaaaaaanz viel Potential! Natürlich auch bei uns 50Pluslerinnen :-)

Liebe Juliane,
vielen Dank für deinen spannenden Kommentar. Ich glaube schon, dass es auch ein klein wenig mit Lebenserfahrungen zu tun hat, dass man manche Dinge bewusster sieht und dann auch für sich ändert. Klar gibt es auch unter den jungen Frauen schon welche, die dieses Bewusstsein früh entwicklen, aber ich fürchte das ist ehr die Ausnahme. Potential gibt es auf alle Fälle, hier wie da. Aber ich finde es durchaus beruhigend, dass es die Möglichkeiten für mehr Potential überhaupt gibt. Was wir dann daraus machen, .... ♡ Uli

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