14•03•2024 ••

Der Trend zum Entrümpeln

Seit Jahren versuche ich, meine Wohnung – und nicht nur die Wohnung, sondern damit auch mein Leben – übersichtlicher zu halten. Denn seit geraumer Zeit habe ich das Gefühl, dass „mein Besitz“ mich besitzt und nicht umgekehrt. Und so verfolge auch ich den Trend zum ...

 

Entrümpeln!

Ich räume also ständig immer wieder Schuhe und Klamotten weg. Ich entsorge Altpapier und trenne penibelst Plastik- und Restmüll. Ich baue Poststapel ab, räume regelmäßig Lebensmittelschränke auf und entsorge Gläser und Dosen. Und doch habe ich kurze Zeit später schon wieder das Gefühl, es quillt erneut aus allen Ecken. 

Das ist der Moment, in dem ich wie erschlagen in der Wohnung stehe und den Eindruck habe:

Es ist alles zu viel und alles zu voll und es belastet mich.


Ich würde mich selbst nicht als „Messie“ bezeichnen, aber seit geraumer Zeit habe ich immer mehr das Bedürfnis nach mehr Ordnung, leeren Flächen und viel weniger Besitz. Aber es sind nicht nur die leeren Flächen, sondern auch die Sehnsucht nach weniger Aufgaben, weniger Gedanken, aber vor allem weniger Kram. Es ist ein tiefes Bestreben nach Klarheit und Einfachheit.

Symbolträchtige Beispiele für diesen Prozess sind alte emotionale Dinge wie ein Sony-Walkman oder alte selbstbespielte Kassetten. Die Erinnerung an die Musik und die Momente, in denen ich sie gehört habe, machen es so schwer, diese Dinge einfach zu entsorgen. Denn diese Erinnerungen stehen für Zeiten in meinem Leben, die von Unbeschwertheit und – das ganze Leben liegt noch vor mir – geprägt sind.

 

Weniger-ist-mehr

Ich sitze abends auf dem Sofa und es rauschen mir unzählige Grübeleien, Gedanken und Wenn-und-Aber-Schleifen durch meinen Kopf. Die Fülle erschöpft mich oft und ich frage mich, warum ist es so schwierig, das Prinzip von „Weniger-ist-mehr“ durchzuhalten? Denn es ist ja nicht so, dass ich theoretisch nicht wüsste, wie man zur Ruhe kommt, loslässt, Schränke ausmistet, nachhaltig konsumiert und sich aufs Wesentliche konzentriert. Ich probiere das wirklich jetzt schon seit geraumer Zeit. Aber dennoch holen mich der Überfluss und das Übermaß immer wieder ein.
Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass ich mein Konsumverhalten in den letzten Jahren sowieso schon sehr verändert habe und viel weniger und bewusster konsumiere. Früher habe ich Stress, zu viel Arbeit und zu wenig Zeit oft durch Konsum kompensiert. Es war wie ein Belohnungskonzept. Jetzt habe ich so viel gearbeitet, dann kann ich mir doch auch mal was gönnen und mir was Gutes tun. Aber letztlich war es dann doch nur sehr kurze, gekaufte Glücksmomente. 
Ich frage mich heute, woher kam und kommt dieses Verhalten? 

Die Autorin Pia Mester, die unter anderem das Buch „Minimalismus“ veröffentlicht hat, erklärt es so: „Wir haben verinnerlicht, dass viel Arbeit und Stress Tüchtigkeit und Erfolg bedeuten. Und dass wir Dinge kaufen können, ist für uns ein Zeichen von Wohlstand.“ Selbst wenn wir aus Überzeugung Statusdenken vielleicht sinnlos finden oder gar ablehnen, gibt es in uns einen tiefsitzenden Reflex, materielle und monetäre Belange in den Vordergrund zu stellen. Und das oft ohne Sinn und Verstand. Wir sind das Prinzip „Weniger ist mehr“ einfach nicht gewohnt und deshalb fühlen wir uns auch schnell unwohl, sobald wir damit anfangen.

Umzug: Die beste Gelegenheit zum Entrümpeln 

Neulich hatte ich allerdings ein Aha-Erlebnis, welches mich in meinem Entrümpelungsvorhaben sehr bestärkt hat. Bei einem Umzug konnte ich „relativ“ neutral beobachten, was sich in einer Wohnung so über die Jahre ansammelte. Ich sage neutral, weil ich über viele Dinge gedankenlos den Kopf geschüttelt habe und bei näherer Überlegung feststellen musste, dass ich genau die gleichen Dinge in meinem Leben horte. Dinge, zu denen ich eine emotionale Bindung aufgebaut habe und bei denen es mir genauso schwerfällt, diese zu entsorgen. Man braucht heute keine CD- oder DVD-Sammlung im Zeitalter von Streaming-Plattformen & Co. und doch habe ich sie auch, diese CD-Sammlung. Denn jede CD birgt eine Erinnerung – die kann ich doch jetzt nicht einfach so entsorgen. Doch, kann ich!


Seit diesem Umzugstag rechne ich mir aus, wie viele Umzugskartons ich brauchen würde, um mein „Leben“ umzuziehen. Und das wären leider verdammt viele! Dieser Gedanke macht es mir plötzlich sehr viel leichter, mich von Besitz zu trennen. Bei näherer Überlegung, was ich von entsorgten Dingen wirklich schon mal vermisst habe, bleibt praktisch nichts übrig. So what!

Womit ich allerdings ein Problem habe, ist, Dinge einfach auf den Müll zu werfen. Wir wissen alle, dass die Ressourcen auf der Erde begrenzt sind und deshalb gebe ich überflüssige Dinge gerne in den Umlauf. Es gibt mir einfach ein besseres Gefühl, wenn ich jemanden etwas geben kann, worüber er sich freut. Dafür gibt es Gott sein Dank mittlerweile ja mannigfaltige Möglichkeiten. Am liebsten verschenke ich es, aber dann gibt es ja auch Online-Verkaufsplattformen, Nachbarn, Hilfs- und Entwicklungsorganisationen usw. Bei Klamotten gibt es mittlerweile sogar ein Portal, die die Sachen zu Hause abholen (Textiltiger). Das macht es nochmal um einiges leichter.

Emotionales Loslassen

Zum Thema emotionale Bindung zu Dingen … logischerweise ist es wesentlich einfacher, sich von Dingen zu trennen, zu denen man keinen Bezug oder irgendwelche Erinnerungen hat. Ich hätte perfekt die gesamte CD-Sammlung im Umzug einfach so, ohne mit der Wimper zu zucken, entsorgen können. Wobei ich bei meinen eigenen CDs bei jeder einzelnen hadern würde. Es wäre ein unendlicher Prozess und Kampf!
Sabine hat mir vor Jahren mal einen Tag mit einem „Aufräum-Coach“ fürs Büro geschenkt. Das war ein Tag lang emotionale Schwerstarbeit und das war „nur“ die Büroküche. So ein Ausmisttag ist nicht zu unterschätzen, denn man trifft unendlich viele Entscheidungen. Werfe ich das in den Müll, verschenke ich es oder kommt es in die Box „mal sehen“.

Was braucht man wirklich?

Ich würde behaupten, dass es heute durchaus ein Bewusstsein dafür gibt, eher weniger zu kaufen, weniger zu besitzen, weniger zu tun. „Dieser Trend ist eine logische und längst überfällige Gegenbewegung zum kopflosen Konsumieren und Mehr-haben-wollen. Denn wer weniger tut oder hat, wählt besser aus, gewinnt für sich und sein Leben Orientierung und nimmt Druck aus dem Alltag“, sagt Pia Mester. 

Die Frage „Was brauche ich wirklich?“ stelle ich mir immer häufiger. Das bezieht sich nicht nur auf Dinge oder Kaufentscheidungen, sondern ich frage mich das auch immer häufiger in allen möglichen Lebensbereichen. Wie viel arbeite ich, welche Menschen sind mir wirklich wichtig oder wie viel Zeit verbringe ich am Handy? Oder ist mal ein Dolce far niente, ein Spaziergang in der Sonne oder ein Kaffeeklatsch mit einer guten Freundin nicht so viel wertvoller als materieller Besitz?


In mir wächst so die Vorstellung nach einem Leben in einem Tiny House.


Es ist meine Sehnsucht von „Weniger ist mehr“. Aber natürlich hinterfrage ich diese Sehnsucht auch sehr kritisch. Könnte ich wirklich mit diesem absoluten Minimum gut umgehen?

Reduce to the max

Wenn ich mich so umhöre, bin ich ganz sicher nicht die Einzige, die diese Sehnsucht nach Vereinfachung hat – und bei der es nur solala mit der Umsetzung klappt. Tatsächlich habe ich das Gefühl, ich bin umgeben von Leuten mit einem komplett überfüllten Leben, und es probieren doch auch immer mehr Menschen, das Prinzip „Weniger ist mehr“ in ihr Leben zu integrieren.

Der Trend zum Entrümpeln

Der Trend zum Entrümpeln, Ausmisten und Aufräumen ist ganz sicher nicht neu.
Das Buch „Magic Cleaning“ der Japanerin Marie Kondo ist immerhin schon seit 14 Jahren auf dem Markt und hat sich weltweit mehr als sieben Millionen Mal verkauft. Das TIME Magazine zählt Marie Kondo damit sogar zu den 100 einflussreichsten Menschen auf der Welt! Also hat sich doch zweifelsohne herumgesprochen, dass weniger Besitz auch bedeutet, mehr Platz, Zeit und Geld zu haben. 
Entrümpeln befreit, das ist mal sicher. Und so versuche ich, step-by-step immer wieder Bereiche in meinem Leben zu entmüllen und zu vereinfachen. Das gelingt mal mehr oder weniger gut, aber … der Anfang ist gemacht.


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Kommentare

Brigitte
15•03•2024
Ihr Lieben, danke für eure Gedanken und Tipps. Ich bin immer wieder überrascht, wie vielfältig eure Themen sind & passend zur (Jahres)Zeit. Beim Thema Entrümpeln bin ich schon geübt (ich mag Veränderung und kann mich auch gut von Dingen trennen). Das macht mein Leben leichter und ich habe Platz für Neues (Erfahrungen, Begegnungen, Erlebnisse … und aber auch mal Kleidung, Möbel, Bücher). Leider wohne ich weit weg von München, sonst wäre ich gern beim Book Date dabei. Liebe Grüße, Brigitte
FTF, Uli Heppel
15•03•2024
Liebe Brigitte, vielen Dank für dein Kompliment. Da beneide ich dich wirklich, für deinen Vorsprung beim Entrümpeln. Ich stecke da tatsächlich noch in den Kinderschuhen ;-) aber genau um dieses Gefühl von Platz für Neues geht es. Und neu bedeutet hier tatsächlich ehr Begegnungen, Erlebnisse... Wie schade, dass du so weit weg von München bist, wir hätten dich so gerne mal persönlich kennengelernt. ♡ Uli P.S: Vielleicht bringt der Osterhase ja eine Reise nach München ;-)
Britta Langhoff
18•03•2024
Ich kann mich auch gut von Dingen trennen. Platz für Neues ist das Eine. Ich mag beim Entrümpeln am liebsten das Gefühl, altes und Belastendes los zu werden.
FTF, Uli Heppel
19•03•2024
Liebe Britta, dieses Gefühl lerne ich auch gerade kennen ;-) Ich mag es sehr. ♡ Uli

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