Die Magie des Lesens am Morgen
Lesen am Morgen? Ja, unbedingt! Wahrscheinlich ist das für viele ein denkbar ungünstiger Moment. Denn am Morgen herrscht normalerweise das Chaos! Leider hat man sich meist noch bis zur allerletzten Minute im Bett gewälzt, im Bad mit der nichtsitzenden Föhnfrisur und der eingetrockneten Wimperntusche gequält, ratlos zeitverschwendend vor dem Kleiderschrank gestanden, den Berg wieder ausgezogener Klamotten entnervt zurück in den Schrank gestopft und ist dann im Eilschritt, mit dem heißen Kaffee in der Hand, aus dem Haus gerannt, um sich dann noch die Zunge zu verbrennen. Dazwischen hat man sich eventuell auch noch um die Pausenbrote der Kinder oder die Krawattenauswahl des Gatten gekümmert. Auf alle Fälle war da überhaupt keine Zeit, um in Ruhe zu lesen.
So oder so ähnlich sieht wohl der Morgen bei ganz vielen von uns aus. Ich habe für mich beschlossen, dass das ein denbkbar schlechter Start in den Tag ist. Wobei die Tage bei mir meist genauso aussahen. Aber ...
... seit einiger Zeit habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, am Morgen zu lesen.
Dafür stehe ich sogar früher auf und gehe etwas später aus dem Haus. Es ist mein kleines Ritual geworden, und ich empfinde es als meinen ganz persönlichen Luxus, den Tag so zu beginnen. Dafür eher aufzustehen, macht mir allerdings auch nichts aus, denn ich bin nicht wirklich ein Langschläfer. Auszuschlafen ist mir nicht so wichtig. Im Gegenteil: Ich empfinde es oft sogar als Zeitverschwendung.
Bei der Wahl der Lektüre habe ich feste Gewohnheiten. Am Wochenende lese ich wahnsinnig gerne die Tageszeitung, denn da nehme ich mir die Zeit, das Lesen mit einem schönen, langen Frühstück zu kombinieren. Und ich lese sie in Papierform und niiiiicht digital.
Ich liebe das Rascheln von Papier, wenn ich die Seiten umblättere, den Geruch der Druckschwärze und das Herausreißen spannender Artikel und Infos, die ich mir dann an meinen Kühlschrank pinne.
Unter der Woche sind es dann meist Bücher, die ich lese, denn dabei isst sich das Müsli leichter. ;-)
Ich finde es wunderbar, den Tag mit einer Geschichte zu beginnen oder in eine andere Welt abzutauchen.
Es stört mich auch überhaupt nicht, mitten in einem Kapitel das Buch zuzuklappen, denn ich weiß, am nächsten Morgen geht die Geschichte ganz bestimmt weiter.
Lesen bildet und fördert die Gehirnaktivität.
Es macht etwas mit mir, dieses Lesen am Morgen. Es entspannt und entschleunigt mich ungemein für den Tag. Oft nehme ich die Geschichte mit in den Tag und sie inspiriert mich in meiner Arbeit. Ich habe das Gefühl, wenn ich morgens in diese Geschichten eintauche, erlebe ich sie intensiver, weil der Tag einfach noch so neu und unverbraucht ist und ich mich viel mehr darauf einlassen kann. Am Abend schweife ich beim Lesen gedanklich oft in meine Alltaggeschehnisse ab.
Auf alle Fälle ist dieses kleine Ritual für mich sehr wichtig geworden und so habe ich oft am Morgen schon etwas ganz tolles erlebt.
Von drei meiner zuletzt gelesenen Bücher möchte ich euch unbedingt erzählen. Jedes davon war auf seine Art wunderbar.
Im Januar habe ich gelesen:
„Zur See“ von Dörte Hansen, erschienen im Penguin Verlag
Ich muss sagen, das Buch hat für mich ganz wunderbar in diese Jahreszeit gepasst. Ein bisschen melancholisch und sehr nüchtern erzählt Dörte Hansen die Geschichte der alteingesessenen Familie Sander, die auf einer kleinen Nordseeinsel, eine Stunde vom Festland entfernt, seit fast 300 Jahren lebt. Dörte Hansen braucht nicht viele Worte, um die Menschen zu zeichnen, und eine Welt zu entwerfen. Die Bilder der Charaktere entstanden bei mir sofort im Kopf, und ich hatte sie und die windumtoste, namenlose Insel in der Nordsee sofort ganz klar vor Augen.
Auf dieser Insel hat Hanne Hansen drei Kinder großgezogen. Ihr Mann Jens hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben und lebt seit 20 Jahren zurückgezogen und einsam auf einer Vogelwarte. Ihr ältester Sohn, Rykmer, hat nach einem traumatischen Erlebnis auf See, das ihn zum Alkoholiker werden ließ, sein Kapitänspatent verloren. Er ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Ihre Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht. Alle Familienmitglieder sind eng mit der Insel verbunden, leben aber komplett nebeneinander her. Geredet wird in der gesamten Geschichte wenig, aber gesagt wird in diesem Buch trotzdem viel. Als ein Wal auf der Insel strandet, ist das der Wendepunkt der Geschichte. Plötzlich scheinen viele Dinge möglich. Ohne zu viel zu verraten: Es gibt Hoffnung – auch für die Familie Sander, die sich noch einmal ganz neu erfindet.
Eine Geschichte auf einer Insel über alte Gesetze, die ihre Gültigkeit verlieren, und von Aufbruch und Befreiung.
Völlig gefesselt hat mich im März diese Geschichte:
„Die indische Kugel“ von Matthias Hübner, erschienen im Äquatorkind-Verlag
In das Buch durften wir bei einer Lesung und toller Buchpräsentation des Autors Matthias Hübner schon mal reinschnuppern. Mich hat es völlig fasziniert und gefesselt, denn ...
... der Roman „Die indische Kugel“ ist eine wahnsinnig spannende Geschichte, die gewaltfreies Denken zum Thema hat. Die Protagonisten sind die Geschwister Lynn und Paul und ihr Onkel Graham Yeomans – ein begnadeter Schachspieler und begeisterter Indienreisender, der ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt.
Eine mysteriös blauschimmernde Kugel rollt durch die Erzählung und die Welt und zieht die Menschen, die mit ihr in Kontakt kommen, in ihren Bann. Sie verführt ihre Besitzer und entfacht das Böse. Sie ist magisch und leider fast immer tödlich.
Die Handlungen spielen in New York, Schottland und Indien. Dabei sind die Orte so bildhaft beschrieben, dass man sich mitten im Geschehen wiederfindet. Die Geschehnisse der Vergangenheit sind mindestens genauso fesselnd erzählt, wie die Ereignisse der Gegenwart. Den guten alten Kampf zwischen Gut und Böse hat der Autor auf seine ganz eigene Art neu interpretiert. Die Story ist überraschend, tiefgründig und spannungsgeladen von der ersten bis zur letzten Seite – und zudem hochaktuell.
Nach der Netflix-Serie „A Queen‘s Gambit“, die sich um eine schachspielende junge Frau dreht, eine weitere spannende Geschichte, die das Schachspielen – offensichtlich sehr aktuell – zum Thema hat.
Der Frühling naht endlich und deshalb gab es im April natürlich eine Liebesgeschichte:
Eine ganz besondere Liebesgeschichte. Denn ...
„Kann man, nicht mehr ganz jung und beladen mit Lebenserfahrung, noch einmal oder überhaupt zum ersten Mal die Liebe finden und leben?"
„Die Liebe an miesen Tagen“ von Ewald Arenz, erschienen bei Dumont.
In dem neuen Buch von Ewald Arenz geht es um die wunderbare Geschichte von Clara und Elias. Trotz aller Bedenken, weil Clara deutlich älter ist und Elias noch in einer losen Beziehung steckt, werden die beiden ein Paar. Damit ändert sich ihr gesamtes Leben: Elias kann nicht länger verdrängen, dass er in einer falschen Beziehung und einem falschen Leben steckt. Und Clara begreift, dass es Zeit wird, das selbst gewählte Alleinsein und die nicht bewältigten Schuldgefühle nach dem Tod ihres Mannes, aufzugeben. Elias wiederum weiß nicht so recht, wie man im Leben zu etwas steht, denn als Schauspieler versteht er sich darauf, sich immer wieder aus der Wirklichkeit ins Spiel zu retten. Clara erhält ein verlockendes Jobangebot aus Hamburg und das junge Glück steht vor einer harten Bewährungsprobe, die durch eine schwere Erkrankung fast zur Tragödie zu werden droht, und die beiden zweifeln und kämpfen miteinander und umeinander.
Ich finde es ist eine herzerwärmende und tröstliche Liebesgeschichte zwischen zwei eigenwilligen und alles andere als einfachen Menschen. Aber es ist auch eine Art Lebensroman, der uns zeigen will: Alles ist möglich wenn man offen ist, für die Dinge, die uns das Leben zuspielt.
Facts:
Dass Lesen auch eine der besten Trainingsarten für unser Gehirn ist, ist uns bekannt und wissen wir nicht nur aus zahlreichen Studien. Es entspannt uns auch. Bereits sechsminütiges Lesen senkt unser Stresslevel um fast 70 Prozent! Dabei ist es ganz egal, ob du ein Sachbuch, einen Roman oder eine Biografie liest. Und: Mit Lesen kannst du deinen Horizont erweitern. ;-)
© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
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Kommentare
Hallo und guten Morgen,, ☕
Ich kann euch nur beipflichten, auch ich lese jeden Morgen, allerdings die Tageszeitung, die raschelt.... .Seit Kind auf kenne ich das Ritual morgens mit dem Kaffee die Zeitung zu lesen.
Allerdings gibt es bei den meisten über 50, die ihr ansprecht wohl keine Kinder mehr, die noch ein Pausenbrot geschmiert bekommen, oder?
Sonntags morgens im Bett bor dem Frühstück mit einem Kaffee mein Buch zu lesen ist etwas ganz besonderes und gehört fast jeden Sonntag zu meinem Ritual!
Liebe Grüße
Hallo liebe Heike,
da freue ich mich, dass wir dieses kleine Ritual teilen ;-) Und das Buch oder die Zeitung am Wochenende im Bett mit Kaffee lesen ist die ultimative Steigerung an Luxus. Herzlichst Uli
Hallöchen,
seit ich lesen kann habe ich nicht mehr damit aufgehört, leider nur am Wochenende die Zeitung und immer, wirklich immer im Bett, egal wie spät es ist. Das ist sozusagen lebensnotwendig. Und wenn mir die Handlung des Buches tagsüber nicht aus dem Kopf geht dann ist es genau das richtige.
Liebe Grüße
Liebe Konstanze,
das ich aber ein schöner Satz und Gedanke, dass du nicht mehr aufgehört hast zu lesen, seit du es kannst ;-) Im Bett lesen ist natürlich ein toller Luxus und hat was sehr entpanntes. Lieben Gruß Uli
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