
Ein Hoch auf die schlechte Laune.

Gerade jetzt habe ich - und damit bin ich sicher nicht alleine - oft richtig schlechte Laune. Und ausnahmsweise sind die Wechseljahre mal nicht schuld. Oder sagen wir so, sie sind nicht der alleinige Grund. Es ist ein Zusammenspiel von vielem, was gerade so in meinem und unserem Leben passiert. Wir erleben alle eine ganz neue Situation, der wir nicht wirklich gewachsen sind und in die wir uns nur ganz langsam einfühlen können. Ich für mich bemerke, dass ich viel öfter als sonst schlechte Laune habe und mich herunterziehen lasse. Und zwar kommt sie oft ganz ohne Vorwarnung daher und was noch schlimmer ist, sie kommt ohne wirklich ersichtlichen und konkreten Grund. Ganz plötzlich kippt meine Stimmung und ich bin wirklich richtig schlecht drauf.
Dabei bin ich doch sonst eher der Sonnenschein, der immer gut drauf ist und allen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Aber muss ich jetzt meine schlechte Laune unter den Teppich kehren und allen weiterhin mit aufgesetzter Heiterkeit begegnen? Die Gesellschaftsnorm würde das bejahen. Aber will ich das überhaupt? Und vor allem ist das gesund? Ist es nicht erlaubt, auch mal einfach motzig zu sein und alles in Grau und Schwarz zu malen?
Ist schlechte Laune gesellschaftsfähig?
Verboten ist es sicher nicht, denn ich bin schon der Meinung, dass das Gemüt auch mal „Launen“ haben darf. Gerade jetzt. Natürlich sollte das kein Dauerzustand werden, aber ich denke, es ist auch immens wichtig, die Gefühle, die diese Situation erzeugt und die uns alle belastet, auch mal nach außen tragen zu dürfen und nicht zu unterdrücken.
Denn ständig Li-La-Lu ist vor allem eines: sehr anstrengend.
Ich denke, wir sollten die schlechte Laune ruhig zulassen und akzeptieren. Denn wenn wir negative Emotionen ausleben, dann wirkt sich das auf Dauer positiv auf die eigene Gesundheit aus. Hört man doch immer wieder, dass wir diese Negativgefühle nicht in uns hineinfressen sollen, weil sie sich anstauen und dann irgendwie und irgendwann herausmüssen. Und nicht selten passiert das auf Kosten der Gesundheit.
Aber was heißt schlechte Laune ausleben denn genau? Ich trage nach außen, dass ich mich gerade einfach mies fühle, ich verstelle mich nicht, bin damit ganz ehrlich und gebe zu, dass mein Leben kein Instagram-Account ist, mit immer bunten Bildern und einem lockeren Spruch auf den Lippen. Denn genau das wiederum spiegelt Authentizität und ringt vielleicht allen denjenigen großen Respekt ab, die das nicht tun.
Ich finde es außerdem mehr als anstrengend, meine schlechte Laune und die damit verbundenen Gefühle ständig zu verbergen. Denn genau das ist es, was wir tun, um andere nicht zu verärgern oder um ihnen sogar zu gefallen. Wir denken doch immer, dass wir nur gemocht werden, wenn wir gut gelaunt und heiter sind.
Aber so ist es nicht. Wir können nicht immer nur Hop-of-the-Top sein und grinsend durchs Leben tänzeln.
Jeder Mensch hat das Recht auf schlechte Laune. Man sollte das in die Verfassung aufnehmen. Georges Simenon
Schlechte Laune ist durchaus eine Inspiration.
Denn ... jetzt kommt’s: Studien und Experimente haben sogar bewiesen, dass wir missmutig bei Denkaufgaben viel konzentrierter sind und auch viel weniger Fehler machen. Außerdem sind wir in dieser Stimmung in Gesprächen und Diskussionen weniger manipulierbar, weil wir die Meinung anderer viel skeptischer hinterfragen und das Gegenüber kritischer beäugen.
Paradoxerweise ist es sogar so, dass wir schlecht gelaunt umsichtiger, fairer und sozial verträglicher sind, weil wir in dieser Stimmung weniger mit uns selbst beschäftigt sind und uns mehr Sorgen um andere machen. Die schlechte Laune sorgt außerdem für eine schnellere Anpassung an neue Situationen und neue Umweltbedingungen.
Na also, alles gar nicht so schlecht. Weil an neue Bedingungen müssen wir uns ja in der Tat gerade gewöhnen. Und das fast täglich.
Was ich für mich immer wieder feststelle, dass mich nämlich genau diese Übellaunigkeit überhaupt erst zum Nachdenken und Grübeln bringt und ich oft aus diesen Grübeleien meine Kreativität und neue Gedanken schöpfe. Nicht immer natürlich, aber doch sehr oft.
Und damit bin ich ja wahrlich nicht alleine. Es gibt eine ganz Reihe an missmutigen, überlaunigen und pessimistischen Künstlern, Denkern, Schriftstellern, Philosophen und Musikern. Picasso wurde von seiner Muse Françoise Gilot zum Beispiel als „extrem launisch“ beschrieben. Ludwig van Beethoven soll mit täglichen Tobsuchtsanfällen seine Umwelt tyrannisiert haben und war als dauerschlechtgelaunt bekannt und auch Jane Austen wusste eine gefasste Abneigung in Antrieb und Anregung des Geistes umzusetzen.
Klar ist also, dass wir um viele wichtige kulturelle Werke ärmer wären, wenn alle immer im Dauer-Happy-Modus wären. Und man stelle sich mal all die Filme und Theaterstücke vor, in denen dann immer nur gutgelaunte Protagonisten auftreten. Ich glaube, wir würden alle vor Langeweile sterben, wenn es da keine miesepetrigen, ungenießbaren und exzentrischen Grantler gäbe.
Und was wäre überhaupt aus Grumpy Cat geworden? Die gäbe es gar nicht.
Nichts auf der Welt ist so wunderbar ansteckend wie schlechte Laune! Charles Dickens
Letztlich ist es ja auch so, dass wir gerade erst durch missmutige Gedanken bereit sind, etwas in unserem Leben zu ändern. Denn wir brauchen genau diese, um einen Ist-Zustand wahrzunehmen und ihn dann vor allem aufzulösen. Denn ohne diese Gedanken wüssten wir nicht, wie es anders oder auch besser laufen könnte. Es gäbe keinen Grund etwas zu verändern. Ohne Unmut gäbe es keinen Aufruhr und somit auch keine Veränderung.
Denn schon Aristoteles wusste: „Wer niemals wütend ist, wird sich auch nicht wehren.“
Wie sagt der Franzose: Vive la revolution!
Fazit: Brechen wir doch einfach mal eine Lanze für die schlechte Laune. Pfeifen wir auf das, was andere von uns erwarten und sind einfach mal megaschlecht drauf. Mit allem, was dazugehört. Lasst uns motzen, grummeln, mosern, keifen, quengeln, meckern, zicken, kotzen, maulen, nölen, raunzen, mäkeln, nörgeln, giften, wüten, empören, aufregen, jammern, stänkern und erbosen, was das Zeug hält. Alleine diese Wortvielfalt lässt mich doch schon wieder lächeln :)
Denn eines ist klar: das Gute an schlechter Laune ist, dass sie auch wieder vorübergeht.
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