10•07•2025

Fehlermeldung #3 – Die Paarkolumne von Fuck the Falten

Kaum vergehen vier Jahre, schon schreiben wir die dritte Folge unserer Paarkolumne. Immer wieder kommt dann doch das Leben dazwischen. Aber egal, wir haben viel Zeit, denn heute geht es um Langzeitbeziehungen ...

ER: Wir wussten ja, dass er kommen wird, dieser Moment, der einem mit einem Mal wieder ganz viel Freiheit schenkt und gleichzeitig anfangs schon auch eine spürbare Leere hinterlässt: Unsere jüngste Tochter ist ausgezogen. Und wir haben plötzlich Zeit. Für uns. Willkommen in der Ehe 2.0 – eine neue und nicht ganz ungefährliche Phase in langjährigen Beziehungen. Ohne Sorgen um Kinder, Terminstress, Ablenkung und Ausreden steht die Liebe unvermittelt wieder auf dem Prüfstand. Inzwischen ist das ja bei uns schon eine Weile her und wir haben die Herausforderung – Spoiler – wunderbar gemeistert. Finde ich zumindest. Und seien wir ehrlich: 


Wer es bis dahin geschafft hat, sich nicht zu verlieren, hat auch nach knapp 30 Jahren Ehe gute Chancen, dass das so bleibt. 


Vielleicht sogar nochmal 30 Jahre, wer weiß … Anders halt, aber nicht schlechter. Im Gegenteil.

Die Wahrheit ist doch: Wer wie wir schon mehr als vier Jahrzehnte miteinander verbracht hat, teilt viel mehr als nur Erinnerungen und Urlaubserlebnisse, sondern auch Macken und Routinen, Vorlieben und vor allem auch überstandene Krisen – nicht nur, aber durchaus auch beziehungstechnisch. 


Denn, Achtung Binse, nicht nur die Leber, auch die Liebe wächst eben mit ihren Aufgaben. 


Und ob man das nun erstrebenswert findet oder nicht – irgendwann denken wir ähnlich, lachen und freuen uns (meistens) über das Gleiche, teilen Wünsche und Sehnsüchte. Ich glaube oft zu wissen, was du denkst oder fühlst, bevor du es aussprichst, und habe das Gefühl, dass ich so sein kann, wie ich bin. Das gibt Sicherheit und schafft Verbundenheit.

Und auch die Toleranz wächst mit den Jahren. Was früher vielleicht noch genervt hat, ruft heute manchmal sogar wohlige Vertrautheit hervor: Ich freu mich, wenn du mit Mütze im Bett liegst und unter der Decke der Föhn laut vor sich hin bläst. Ich schmunzle in mich hinein, wenn mir beim Tischabräumen ein Glas entgleitet, weil der Deckel nicht festgedreht war. Ich mag es, wenn du bei jeder Arbeit wieder neu den Timer stellst und nach zehn Minuten Film vor dem Fernseher einschläfst – selbst wenn dort mein eigener Film läuft.

Klar hat diese Vertrautheit, wie ja eigentlich alles, schon auch seine Schattenseiten. Es wird immer schwieriger, sich gegenseitig zu überraschen. Neue Abenteuer muss man gezielt suchen und die Versuchung, es sich in der Beziehung bequem zu machen, ist auf keinen Fall zu unterschätzen, gehen doch richtig langjährige Partnerschaften zwangsläufig meist mit einem gewissen Alter einher, in dem die Bequemlichkeit ohnehin gerne zunimmt. Aber dagegen kann man ja was tun. Und gerade du hast nie aufgegeben, dagegen anzukämpfen. 


So eine Langzeitbeziehung ist vielleicht keine romantische Kitsch-Komödie mehr, dafür aber eine geile Serie mit vielen Staffeln, bei der man einfach dranbleiben muss, weil jede Folge wieder so spannend ist. 


Image
Langzeitbeziehungen

SIE:

Da lese ich nun deinen Text und bin gerührt. Denn dieser Text breitet sich über mich aus wie eine wohlig warme Decke. Aber genau das ist es ja, was manche langjährige Beziehung dann vielleicht auch einschlafen lässt. 


Dieses wohlig warme Gefühl, dass man nichts mehr tun muss, um die Liebe zu erhalten.



Das Faszinierende an unserer langen Beziehung ist, dass ich uns immer noch sehe, wie wir jung waren und jedes Mal, wenn unsere Beziehung zu scheitern drohte oder ich mich gefragt habe, ob ich das alles noch will, habe ich uns beide jung gesehen und konnte meine Gedanken gar nicht fassen. 


Denn ich wusste ja genau, wie die Sabine 1.0 unsere Beziehung gesehen hat.


Wenn ich heute mit dir Vespa fahre, habe ich genau das gleiche Lebensgefühl wie mit 18, nur dass die Vespa heute etwas schneller fährt. 


Deswegen stelle ich hier mal die kühne Behauptung auf, dass lange Beziehungen einen jung halten.



Ich stelle auch den Anspruch an uns, dass wir beide – unsere 18-jährigen Ichs – unsere heutige Beziehung cool finden würden. Dass sie nicht enttäuscht wären, was wir aus einer lebenslangen (wow, was für ein Wort!) Liebe gemacht haben.
Wenn ich dir im Schlaf zusehe, sehe ich immer noch dein Gesicht mit Anfang 20 – und ehrlich: So viel hat sich da gar nicht verändert. Deshalb war ich auch ziemlich empört, als du neulich meintest, wir Frauen würden ja „eher so vor uns hin welken“. Autsch.
Überhaupt habe ich gelernt, mit deiner manchmal fehlenden Wahrnehmung umzugehen – was mich betrifft, wohlgemerkt. Prinz Charming, sage ich dann trocken, wenn du mein Äußeres wieder mal nicht ganz so galant kommentierst. Aber auch da hast du dich entwickelt. Ich erinnere mich an unzählige Friseurbesuche, nach denen du gar nichts bemerkt hast. Vor 20 Jahren war das eine Katastrophe für mich – heute sehe ich’s gelassener. Und du? Kommentierst mittlerweile lieber einmal zu viel als zu wenig, wenn ich beim Friseur war.


Manchmal wünschte ich, wir hätten diese Gelassenheit schon früher gehabt – wie viele sinnlose Streitereien wären uns erspart geblieben.



Neulich wurde ich auf einer Wanderung von einer Gruppe junger Frauen aufgehalten – ein Junggesellinnenabschied. Sie fragten mich, ob ich der Braut einen Rat für eine lange Ehe geben könnte. Ich musste nicht lange überlegen. Denn ich weiß inzwischen ganz genau, worauf es ankommt:



Den anderen nicht nur anders sein lassen – sondern sein Anderssein als Bereicherung für sich selbst erfahren. Und: täglich dazulernen.



Und ja, deswegen schaue ich dir heute eher mit Begeisterung als mit Ungeduld zu, wenn du bei technischen Problemen im Haus stundenlang tüftelst. Ich staune, dass du für ein einziges fehlendes Gewürz durch drei Supermärkte fährst – und immer noch nicht genervt bist. Ich kann es nicht fassen, wie lange du im Wohnzimmer staubsaugst – nur um das allerletzte Staubkorn zu finden, das ich niemals sehen würde.
Wir sind eben Mister Geduld und Mrs Ungeduld.



In Bayern sagt man: gesucht und gefunden – neudeutsch heißt das wohl Yin und Yang.


 


DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN...

Kommentare

Birgit

Ein wunderschöner Beitrag und ich hatte tatsächlich ein bisschen Pipi in den Augen.
Ich wünsche euch noch super viele gemeinsame Jahre 🤗
LG Birgit

Regina

Wie schön geschrieben!
Wir sind auch bereits 40 Jahre zusammen und befinden uns seit kurzem in Phase 4.0 :mein Mann ist jetzt Zuhause.
Aber wir meistern auch diese Veränderung mit Achtsamkeit und einem Schmunzeln. Es funktioniert, wenn beide dranbleiben.
GLG Regina

Wir freuen uns auf deinen Kommentar

*Markierte Felder sind erforderlich • Deine Email-Adresse ist nicht öffentlich sichtbar.
Ausführliche Informationen zur Datensicherheit findest du in der Datenschutzerklärung.
Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
8 + 4 =
Bitte diese einfache mathematische Aufgabe lösen und das Ergebnis eingeben. Zum Beispiel, für die Aufgabe 1+3 eine 4 eingeben.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.