FTF Die Buchstaplerin #36 – Vom Glück zu reisen
Ich packe meinen Koffer und nehme mit … natürlich Bücher, Bücher und nochmal Bücher. Denn unsere Buchstaplerin Corinne hat uns einen Traumkoffer voller wunderbarer Buchtipps für den Sommerurlaub gepackt. Und irgendwie dreht sich alles um das Thema Reisen, unterwegs sein, in fremden Ländern, an spannenden Orten und in wunderbaren Städten. Wir sind sicher, ihr werdet auf eurer Reise auch einen Koffer voller Bücher haben.
Da ist sie ganz schön vertieft in ihre spannende Lektüre, unsere Corinne. ;-)Reisen macht mich glücklich. Das geht bestimmt nicht allen so, aber für mich bedeutet reisen Freiheit, Inspiration, kleine Abenteuer, neue Herausforderungen, Abstand vom Alltag, Horizonterweiterung, bereichernde Begegnungen und viele schöne Erinnerungen. Dafür muss das Reiseziel nicht möglichst weit weg sein, oft genügen schon wenige Kilometer, um eine bereichernde Auszeit zu erleben.
Hier sind sie nun, die ultimativen Buchtipps für den Sommer
Viele Gedanken um das Thema hat sich der Journalist und Autor Philipp Laage in seinem Buch „Vom Glück zu reisen“ (Reisedepeschen Verlag) gemacht: Er erzählt in humorvollem Plauderton, warum wir heute wie reisen, was es mit der viel zitierten Bucket-List auf sich hat, vom neuen Statussymbol „Reisen“ und welche Begleiterscheinungen der heutige Tourismus mit sich bringt. Kluge Betrachtungen und Denkanstöße über das Phänomen des Reisens ergänzt er mit eigenen Erfahrungen und Anekdoten, die er auf über 70 Reisen um den Globus gesammelt hat. Schonungslos ehrlich und mit einer Prise Ironie betrachtet Philipp Laage die unterschiedlichsten Aspekte wie Budget, Reiseplanung, Sicherheit, Landesbräuche, Sehenswürdigkeiten oder Kommunikationsmittel und regt dazu an, das eigene Reiseverhalten kritisch unter die Lupe zu nehmen, ohne dabei den Spaß daran zu verlieren. Spannende Betrachtungen für alle, die gerne reisen!
Wen es im Urlaub in den Norden zieht oder von Skandinavien träumt, der kann seiner Seele mit „Ein Jahr in Schweden“ von Elisabeth Grindmayer (Hölker Verlag) Gutes tun. Die Autorin nimmt uns mit in ihr Sehnsuchtsland, wo sie mit ihrer Familie in einem alten Waldbauernhof mitten in der Natur lebt, und beschreibt die wichtigsten schwedischen Feste und Bräuche, erzählt stimmungsvolle Geschichten, verwöhnt uns mit feinen Rezepten untermalt von atmosphärischen Fotos, die uns von Zimtschnecken, roten Häusern, idyllischen Seen und gemütlichen Kaffeepausen träumen lassen. Sie lädt uns zum Entschleunigen bei einer „Fika“ ein, erklärt uns, was das Wort „Lagom“ und „Friluftsliv“ bedeutet, feiert mit uns Mittsommer und Weihnachten und lässt uns so die Jahreszeiten in Schweden miterleben. Ein liebevoll gestalteter Bildband voller kulinarischer Köstlichkeiten, der Lust auf die schwedische Lebensart macht!
„Lagom“ und „Friluftsliv“ bedeutet, feiert mit uns Mittsommer und Weihnachten.
In „Das Baumhaus“ vonVera Buck (Rowohlt Polaris) zeigt sich Schweden nicht so idyllisch wie in Bullerbü: Henrik, Nora und ihr kleiner Sohn Fynn freuen sich auf einen entspannten Urlaub im alten Ferienhaus von Henriks Großvater. Das Häuschen liegt abgelegen umgeben von Wald und Natur und scheint der perfekte Ort, um sich vom Alltagsstress zu erholen. Doch schon bald häufen sich beängstigende Anzeichen: merkwürdige Fußspuren in Haus und Garten stören die Ruhe der Familie. Als dann noch in der Nähe ein jahrzehntealtes Kinderskelett gefunden wird und kurz darauf der kleine Fynn spurlos verschwindet, entwickelt sich der Urlaub immer mehr zum Horrortrip und es kommen ungeahnte Geheimnisse ans Licht …
Meisterlich verwebt Vera Buck die malerische Natur Schwedens mit Grusel-Atmosphäre und Gänsehaut-Momenten und es gelingt ihr, die Spannung von Anfang bis Ende auf einem hohen Niveau zu halten – immer wieder glaubt man sich der Lösung auf der Spur und immer wieder überrascht uns die Geschichte mit einer unerwarteten Wendung – ein Krimi mit Suchtfaktor!
Im Norden spielt auch der Roman „Das Haus über dem Fjord“ von Kristin Valla (Übersetzung: Gabriele Haefs: Kein & Aber Verlag): Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt die 30-jährige Journalistin Elin in den Heimatort ihrer Kindheit an der Küste Nordnorwegens zurück, um ihr Elternhaus auszuräumen und zu verkaufen. Das Haus steckt voller Erinnerungen, vor allem an ihren Vater und ihre beiden Brüder, die bei einem Erdrutsch tragisch ums Leben gekommen sind, als Elin 10 Jahre alt war. Beim Aufräumen des Hauses stößt Elin auf Ungereimtheiten, die sie nicht einordnen kann, und sie macht sich auf die Suche nach der Wahrheit …
Die unterkühlte, melancholische Atmosphäre Norwegens legt sich wie ein Schleier über die Geschichte und erzeugt eine subtile Spannung, der man sich nicht entziehen kann. Wie ein Puzzle erschließt sich Elin das Leben ihrer Eltern und ein lang gehütetes Familiengeheimnis kommt ans Licht.
Der Roman ist ein feinfühlig erzählter Familienroman und ein Plädoyer für Toleranz, Akzeptanz, Großzügigkeit und Liebe!
Überraschung für den Sommerurlaub, wir verlosen einen zweiten Titel. Drei Exemplare von „Das Haus über dem Fjord“ werden auf Instagram verlost – ein herzliches Dankeschön an Kein&Aber
Luftig leichte Sommerlektüre bietet Hermien Stellmachers Roman „Nur ein einziger Tanz“ (Insel Verlag), in dem es um Freundschaft, Liebe und die Macht von Erinnerungen geht.
Rike, Mitte 50, steht an einem schwierigen Punkt in ihrem Leben: Sie trauert um ihre verstorbene Mutter und ihr langjähriger Freund bittet sie um eine Beziehungsauszeit, da flattert ihr ein mysteriöser Brief eines Unbekannten aus Amsterdam ins Haus, der berührend und liebevoll über ihre Mutter schreibt und Rike sehr gerne kennenlernen möchte. So beschließt sie auf ihrem Weg in den Urlaub einen Abstecher in die Niederlande zu machen und lernt dort den charmanten, 92-jährigen Hendrik kennen, der in einer fröhlich chaotischen Senioren-WG lebt. Nach und nach erfährt Rike viel Neues über ihre Mutter und sie unternimmt dabei auch eine Reise in die eigene Vergangenheit, die sie über Jahrzehnte verdrängt hatte … Hermien Stellmachers berührende Geschichte hat autobiografische Züge und erzählt mit viel Herzenswärme über verpasste Chancen, die große Liebe und Erinnerungen, die uns ein Leben lang begleiten – ein zauberhafter Sommerroman mit Tiefgang!
Die amerikanische Bestseller-Autorin Jodi Picoult ist für ihre Themenvielfalt und ihre Pageturner bekannt. Nun hat sie zusammen mit der Menschenrechtsaktivistin Jennifer Finney Boylan eine Mischung aus Familiendrama, Lovestory und Gerichtskrimi geschrieben: In „Wildhonig“ (Übersetzung: Elfriede Peschel; Bertelsmann Verlag) kehrt Olivia mit ihrem Sohn Asher nach der Trennung von ihrem gewalttätigen Ehemann in ihre alte Heimat nach New Hampshire zurück, um die Imkerei ihres Vaters zu übernehmen. Die beiden werden schnell heimisch und als Asher sich in Lily verliebt und die beiden ein Paar werden, scheint das Glück perfekt. Doch dann wird Lily tot aufgefunden, Asher gerät unter Verdacht, es kommen einige Geheimnisse ans Licht und selbst Olivia weiß nicht mehr, wem sie glauben und vertrauen soll …
„Wildhonig“ liest sich spannend wie ein Krimi, doch im Mittelpunkt steht die Frage nach der eigenen Identität und die beiden Autorinnen werfen wichtige, gesellschaftsrelevante Fragen auf, die neben einer emotionsgeladenen Geschichte zum Nachdenken und Diskutieren einladen!
Auf zwei Zeitebenen erzählt die Historikerin Karina Urbach in „Das Haus am Gordon Place“ (Limes Verlag) eine packende Spionagegeschichte, die ins Österreich der Nachkriegszeit führt. Wien 1948: Die MI6 Agentin Daphne, die vom Typ an Miss Marple erinnert, führt ein Doppelleben: Um unbemerkt in einem Abhörtunnel unterhalb des sowjetischen Sektors arbeiten zu können, schließt sie sich den Dreharbeiten einer Filmcrew an – mit der ständigen Gefahr im Rücken aufzufliegen.
London 2024: Der Historiker Professor Hunt lebt in der damaligen Wohnung von Daphne und als dort in seiner Abwesenheit ein Mord geschieht, möchte Hunt die Wahrheit über die bekannte Agentin herausfinden und begibt sich auf Daphnes Spuren, die weit gefährlicher sind als er ahnt …
Unter dem Motto „Miss Marple“ meets „Der dritte Mann“ beschreibt Karina Urbach lebendig und realistisch Wien in der Nachkriegszeit und unternimmt eine spannende, temporeiche Zeitreise mit Bezügen zur Gegenwart, die großartig unterhält und gleichzeitig eine informative Geschichtsstunde bietet – basierend auf wahren Begebenheiten!
Sehr berührend, mitfühlend und lebensnah schreibt die ehemalige Psychiaterin Bobbi French in „Die guten Frauen von Safe Harbour“ (Übersetzung: Carina Tessari; Penguin Verlag) über Freundschaft und Versöhnung: Als die zurückhaltende, allein lebende Frances erfährt, dass sie nicht mehr lange leben wird, beschließt sie, ihr restliches Leben zu genießen und sich nur mit Menschen zu umgeben, die für sie wichtig sind. So macht sie sich zusammen mit der 16-jährigen Edie auf den Weg in ihre alte Heimatstadt Safe Harbour, um sich mit ihrer früheren Freundin Annie auszusprechen und zu versöhnen. Den beiden Frauen gelingt es, sich wieder anzunähern, die gegenseitigen Verletzungen zu verzeihen und ihre Freundschaft mit neuem Leben zu füllen …
Trotz aller ernsten und traurigen Themen ist der Roman eine Hommage an das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, wobei die Kraft von Mitgefühl, Respekt und Liebe im Mittelpunkt steht – eine wunderbare Geschichte mit viel Humor und feinem Gespür für Situationen, bei der auch das ein oder andere Tränchen fließen darf!
Eine Urgewalt von einem Roman ist „Hundswut“ von Daniel Alvarenga (Harper Collins Verlag), der die archaischen Strukturen einer kleinen, bayrischen Gemeinde seziert und schonungslos zur Schau stellt – aber Vorsicht, es ist kein Buch für zart besaitete Leser:innen!
Die Geschichte spielt 1932 in der bayrischen Provinz: Vier Jugendliche werden bestialisch ermordet im nahe gelegenen Wald aufgefunden. Die Gemeinde, die schon immer alles gerne selbst geregelt hat, ohne die „Großkopferten“ von München, braucht einen Schuldigen, damit im Dorf wieder Ruhe einkehren kann. Der als Einsiedler mit seiner Tochter lebende Joseph Köhler bietet sich als Sündenbock dafür an und die Dorfobersten beschließen, ihm den Prozess zu machen und ihn mithilfe des mittelalterlichen Hexenhammers der Hexerei zu überführen – dabei läuft das Geschehen völlig aus dem Ruder …
Es geht um Schuld, Verantwortung, Gruppendynamik und um das alte „Sündenbock-Prinzip“, mit dem man sich selbst von allem reinwaschen kann.
Eine sehr authentisch erzählte, verstörende und düstere Geschichte voller brachialer Gewalt und bayrischer Mundart, die in die Abgründe der menschlichen Seele schaut und dabei so unerträglich realistisch ist – ganz großes Erzählkino!
Zum Schluss habe ich noch aus der neuen Diogenes Tapir Reihe ein besonderes Bonbon: Doris Dörrie erzählt in „Die Reisgöttin“ auf amüsant-charmante Weise von ihrer Leidenschaft, Mitbringsel aus unterschiedlichen Urlaubsländern mit nach Hause zu bringen. Dabei teilt sie ihre persönlichen Reiseerinnerungen und Erlebnisse und schenkt uns kleine Anekdoten über ein Bürstenballett, eine japanische Feuerwehrmütze, schweizerisches Ruchmehl, eine Origami-Schnecke oder Boxerstiefel aus New York. So unterschiedlich wie ihre Reisen sind auch ihre Mitbringsel und ich fand mich in der ein oder anderen Miniatur wieder, denn auch ich liebe Erinnerungssplitter wie die smaragdgrünen Glasscherben am Strand, die das Meer für mich glatt gespült hat, damit ich sie mit nach Hause nehmen kann … Das Büchlein ist selbst auch ein zauberhaftes Mitbringsel zur nächsten Einladung oder Geburtstagsparty!
„Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit.“ (Mark Twain)
In diesem Sinn und mit hoffentlich passenden Lese-Inspirationen im Gepäck wünsche ich euch einen wundervollen Sommer voller Magie und Lebensfreude! Wir lesen uns! Eure Buchstaplerin
© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
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Kommentare
Ich packe meinen Koffer...und mit rein darf das "Haus am Gorden Place" und weil die Tipps mal wieder so gut sind und auch noch Platz im Koffer ist, nehm ich noch "Hundswut" mit. Der Urlaub kann kommen!!! Danke & Grüße Manuela
Liebe Manuela,
das hast du deinen Koffer aber schon fast voll ;-) Viel Spaß beim Lesen wünschen wir dir und schönen Urlaub. ♡ Uli
Liebes FTF Team, ich bin begeistert von den Empfehlungen. Bücher gehören für mich immer zum Reisen dazu und einige der Titel landen auf meiner Liste. Klar, der Inhalt ist wichtig, aber ich freue mich auch immer über schöne Cover und da ist auch diesmal wieder was dabei :-)
Beste Grüße und einen wunderbaren Sommer für euch, Brigitte
Liebe Brigitte,
leiben Dank für deinen schönen Kommentar. Da wird sich Corinne auch sehr freuen. Wir sind auch immer megahappy über ihre tollen und vielfältigen Tipps. ♡ Uli
Schade das mein Urlaub schon vorbei ist aber man kann ja auch so wunderbar zu Hause lesen.
So viele schöne Tipps am liebsten alle.
Liebe Elke,
lesen kann man doch immer, oder? Und Urlaub kann man auch mit einem guten Buch auf dem Balkon oder im Garten machen. Also einfach einen der wunderbaren Titel aussuchen und losgeht. ♡ Uli
Wir freuen uns auf deinen Kommentar