23•10•2018 ••

Ticke ich eigentlich noch ganz richtig?

Manche Menschen sortieren ihre Gummibärchen nach Farben, bevor sie sie essen. Andere ziehen immer zuerst die rechte Socke an und wieder andere lesen ihre Zeitung nach einem ganz bestimmten Schema. So sind die Menschen eben. Und neueste Erkenntnis: so bin ich offensichtlich auch. Denn seit einiger Zeit beschäftigt mich etwas, das mich einerseits belustigt und andererseits auch ein bisschen irritiert. Irritiert deshalb, weil ich mir überlegt habe, ob es jetzt was mit dem Alter zu tun hat, oder ob ich schon immer ein bisschen „schrullig“ und seltsam war. Aber da war sie, diese neu wahrgenommene Marotte oder Macke. Wie immer man das auch nennen will. Und vielleicht ist diese Marotte auch gar nicht alleine?!?

 Wie lebt es sich denn mit den eigenen Macken und Marotten?


Wenn man sie überhaupt wahrnimmt, hat man sich wahrscheinlich schon so an sie gewöhnt, dass sie einem schon gar nicht mehr auffallen - und sie zu einem gehören wie ein alter Socken. Nicht gerade schön, aber dafür umso vertrauter… 

Es hat mich auf alle Fälle verunsichert. Ich versuchte mich selbst mit der Erklärung zu beruhigen, dass doch irgendwie jeder Mensch irgendwelche Marotten, komischen Spleens und schrulligen Eigenheiten hat - und es kaum jemanden gibt, der völlig ohne ist. Oder etwa nicht? Oder ist es tatsächlich so, dass man mit zunehmendem Alter einen gewissen Hang zu mehr Macken und Eigenheiten entwickelt? Hmmmmm…

Jetzt fühle ich mich aber gar nicht so alt und schrullig. Aber was ist es denn dann? Oder habe ich diese Eigenheiten schon ein ganzes Leben lang und ich habe sie einfach bislang nicht entdeckt? Sind die Macken nicht vielleicht auch ein Teil meiner Persönlichkeit und erfüllen sie unter Umständen nicht sogar einen Zweck? Oder werden sie eventuell sogar zum Problem? Eigentlich ist das ja nichts Lebensbedrohendes oder Schlimmes. Spannend ist nur, in welchem Maß man in seinen Marotten gefangen ist. Ist man von ihnen genervt oder hat man sie sogar ein bisschen lieb? Oder trifft einen gar die Erkenntnis, dass erst genau diese Macke auch den Menschen ausmacht?

Und gab und gibt es nicht auch genügend Beispiele von berühmten Menschen, die diese kleinen Ticks und Zwänge haben? Der kanadische Pianist Glenn Gould war beispielsweise dafür bekannt, dass er nur Klavier spielen konnte, wenn er auf einem niedrigen und wackeligen Stuhl saß. Oder David Beckham kann angeblich nur einschlafen, wenn alles um ihn herum parallel angeordnet ist. Und der Film aller Filme über Marotten ist wohl „Besser geht’s nicht“ mit Jack Nicholson. In dem der vermeintliche Neurotiker „Melvin“ mit lebensgefährlichen Verrenkungen über die Bürgersteige New Yorks hüpft, weil er nicht auf Gehweg-Fugen treten kann. Diesen Tick haben angeblich ganz viele Menschen. Der Film wurde ein Knüller. Vielleicht auch deshalb, weil sich so viele Menschen in Melvin wiedererkannt haben?

Und just, als ich über all diese Dinge nachdachte, habe ich im Auto einen Bericht über Marotten im Radio gehört. Offensichtlich ist das ein Thema, das mich nicht alleine beschäftigt. Da riefen nämlich alle möglichen Menschen an und erzählten von ihren kleineren und größeren Ticks. Und die waren alle gar nicht alt und schrullig. Das heißt also im Klartext, dass das nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun hat. Beruhigt mich! 

Da gab es ein junges Mädl, das ihre Pizza auf dem Teller komplett neu sortieren muss, damit sie sie überhaupt essen kann. Oder einen Herrn, der jeden seiner Schlüssel in eine ganz bestimmte Tasche stecken muss, sonst kann er nicht aus dem Haus. Und so weiter und so weiter.

So, und nun aber zu dieser schon genannten, neu entdeckten Eigenheit. Sie ist sicher nicht ganz so zwanghaft wie Melvins Nicht-auf-Gehweg-Fugen-treten-können-Tick, aber sie hat mich immerhin dazu veranlasst, mir Gedanken über dieses Thema zu machen. 

Ich habe nämlich festgestellt, neurotisch oder nicht, dass ich einen jungfräulich sauberen Computerbildschirm brauche, um überhaupt arbeiten zu können. Das war mir aber bislang so nicht bewusst.


Es​ ist mir jetzt ein paar Mal aufgefallen, dass es mich schier wahnsinnig macht, wenn mir jemand auf meinem Computerbildschirm Fingertapper hinterlässt, wenn er mir da was zeigt. Da kann ich kaum noch zuhören, was derjenige sagt, weil ich mich nur noch auf die Fingerabdrücke konzentrieren kann. Ich sehe nur noch Abdrücke. Überall! Und verfalle innerlich in Schnappatmung. 

So, nun ist es raus...


Wenn ich es jetzt so lese, hört es sich doch ein bisschen nach Zwangsneurose an. Spannend wäre ja nur herauszufinden, ob das einen tieferen Hintergrund hat? Denn es ist keinesfalls so, dass ich ein kleiner Putzteufel bin und bei mir alles immer picco bello ist. Aber was ist es denn dann? Und eine weitere Frage ist dann, kontrolliere ich den Tick, oder er mich? Ist es an der Zeit, das professionell zu hinterfragen oder wäre das mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Vielleicht beobachte ich mich einfach in nächster Zeit und schaue mal, was sonst noch so „Seltsamkeiten" aufpoppen, und wenn ich sie dann alle gesammelt habe, genau, dann gehe ich mal los und lass mich aufklären, über meine Psyche. Und außerdem: Normal ist ja auch total langweilig, oder wie seht ihr das?

Jetzt interessiert mich natürlich sehr, wer denn von euch auch irgend so ein kleines Geheimnis hat? Ein ganz klitzekleines vielleicht? Dann her damit! Seit ich mich damit auseinandersetze, bin ich soooo gespannt.

 

Kommentare

Sammer
23•10•2018
Grossartiger Text, I like. Und ich kann nicht unter Gerüsten durchgehen ... in New York führt das dazu, dass ich so gut wir nirgends zu Fuss hingehen kann. Denn Baugerüste stehen vor jedem zweiten Hochhaus. Es ist auch aus diesem Grund die stressigste Stadt der Welt für mich.
FTF, Uli Heppel
23•10•2018
Liebe Petra, jaaa, ich erinnere mich an Paris mit dir. Da bist du völlig lebensmüde auf die Straße gelaufen, nur damit du nicht unter den Gerüsten durchlaufen musstest. Da hatte ich manchmal richtig Angst um dich. Der Pariser fährt ja nicht gerade vorsichtig .... NY muss tatsächlich die Hölle für dich sein ;-) ♡Uli
claudia Wachsmann
23•10•2018
Ich verschicke gerne Post, aber nur mit schönen Briefmarken! Ich hasse es, wenn einfach so ganz normale Briefmarken auf Briefe geklebt werden. Obwohl ich oft auf Geschäftspost in großen Mengen verschicke, müssen wenn es irgendwie geht Sondermarken drauf. Die Uroma meines ersten große Liebe hatte das auch ... Liebe Sabine, wann ist es ein Tick und wann ist es eine Vorliebe? Ich mag nämlich Stoffservietten lieber als Papierservietten? Soll man sich überhaupt über solche Dinge Gedanken machen?
FTF, Uli Heppel
24•10•2018
Liebe Claudia, das ist aber ein schöner "Tick", den du da hast. Denn wer schreibt den heutzutage überhaupt nicht Briefe und macht sich dann dazu auch noch Gedanken, wie die Briefmarke aussieht? Das finde ich ganz toll. Und Stoffservietten sind natürlich immer ein Statement. In der heutigen Zeit sicher auch die bessere Alternative. Und wann ist es ein Tick und wann Vorliebe? Das ist eine gute Frage. Darüber muss ich noch mal nachdenken. Der Artikel stammt übrigens von mir ;-) Ganz liebe Grüße ♡Uli

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