Tisch decken ist das neue Anziehen
Beim Scrollen durch Instagram ist mir ein Post von Birgit Morgenstern aufgefallen: eine wirklich coole, neonfarbene Leinentischdecke. Beim Weiterscrollen habe ich mich sofort in ihre Tischdecken und in ihre Art, den Tisch zu decken, verliebt. Birgit, Jahrgang 1965, lebt seit 20 Jahren in Lüneburg und entwirft und druckt dort in eigener Werkstatt die schönsten Tischdecken. Mitte November habe ich mich mit ihr zu einem Telefoninterview verabredet, denn ich wollte erfahren, wer hinter diesen wunderschönen Tischkreationen steckt.
FTF: Ich habe mich auf Instagram in deine Tischdecke Ringo verliebt. Magst du uns mal verraten, was du alles brauchst, um zu so einem Ergebnis zu kommen?
Birgit Morgenstern: Ich zeichne meine Entwürfe, die dann auf Stoffbahnen gedruckt werden, selbst. Ringo ist inspiriert von den Jahresringen einer Baumscheibe. Ich habe sie mit Bleistift gezeichnet und dann das Ganze fototechnisch auf ein großes Sieb (DinA1) kopiert. Alles, was schwarz ist, ist im Siebdruck farbdurchlässig. Bei Ringo habe ich in einer Farbe das Motiv aneinander gelegt und in mehreren Druckvorgängen auf eine einfarbige Tischdecke gedruckt. Jede Tischdecke ist ein Unikat, da ich ja nicht im Rapport drucke. Zudem ist ja jeder Druck ein bisschen anders, denn die Farbe wird mit einem Holzrakel mit Kraft durchs Sieb gedruckt. Und mit der eigenen Körperkraft geht man ja immer ein bisschen unterschiedlich um. Dadurch können natürlich auch unterschiedliche Nuancen in der Farbe auftreten, ebenso wie auch im Abdruck. Deshalb sehen die Baumringe jedes Mal ein bisschen anders aus. Es ist eben echtes Handwerk - kein Maschinendruck - und das macht es noch interessanter.
Wie bist du denn dazu gekommen, Tischdecken zu designen?
Ich habe in Hannover Textildesign studiert und zunächst in Hamburg bei Gruner + Jahr für Schöner Wohnen gearbeitet. Während der Schwangerschaft mit meinen Zwillingen bin ich nach Lüneburg gegangen und habe dort eine Siebdruckwerkstatt aufgemacht. Mein ursprüngliches Thema waren Vorhänge und Tapeten, die mache ich auch immer noch. Die anderen Produkte wie Kissen, Tischdecken und Leinenhandtücher sind nach und nach dazugekommen. Das „Tischdeckenthema“ fasziniert mich und hat mich herausgefordert, denn ich wollte es völlig anders angehen. Die meisten verbinden doch mit Tischdecken das, was bei unseren Eltern im Schrank liegt. Und das finde ich oft antiquiert.
Eine Tischdecke gibt einem Raum - so wie ein Blumenstrauß in einer Vase - jedes Mal ein anderes Gesicht. Das finde ich schön.
Hast du dich denn schon immer für Stoff interessiert?
Ich habe mich schon immer mit Textilien beschäftigt, schon von Kindheit an viel mit Wolle und Strickgarn. Alles rund um Farbe, Textur und Qualität fand ich schon immer spannend.
Deine Tischdecken sind nachhaltig hergestellt. Was genau bedeutet das?
Mein Leinen für die Tischdecken beziehe ich aus der EU, aus Litauen. Dort werden auch die Decken in Standardgrößen genäht. Das ist natürlich schon einmal ein großer Unterschied zu günstigen Leinentischdecken, die meistens aus China kommen. Leinen ist eine nachhaltige Faser, denn sie ist langlebig und strapazierfähig. Sie ist kaum kaputt zu kriegen. Je öfter man Leinen wäscht, desto weicher wird er. Ein Supergeschenk zu einer Hochzeit (Anmerkung FTF). Für meine Drucke muss die Leinwandbindung etwas feiner sein, damit der Druck gut darauf zu sehen ist und sich gut in das Gewebe einfügen kann.
Wie stelle ich mir deinen Arbeitstag vor?
Meine Werkstatt ist ungefähr 60 Quadratmeter groß. Darin steht ein 3,60 m langer Drucktisch. An dem arbeite ich meist am Bestand für den Shop, sodass ich jede meiner Tischdecken immer vorrätig habe. Weil morgens das Licht am besten ist, mache ich dann die Fotos für meinen Instagram-Account. Denn ich will ja die Drucke, die ich neu hergestellt habe, in Anwendung auf dem Tisch zeigen. Hier in Lüneburg habe ich keinen Laden, aber via Instagram kann ich mit meinen Fotos viele Leute erreichen. Darüber kommen inzwischen wirklich viele Bestellungen.
Zusätzlich arbeite ich Aufträge ab, wie Vorhänge oder Tapeten oder auch Sonderwünsche für Tischdecken und entwickle neue Designs.
Wo holst du dir deine Inspirationen?
Für mich ist alles interessant: Zufällig arrangierte Sachen, die mir im Alltag begegnen, wenn mir Farbe, Form oder Muster, ob Streifen oder Karo, auffallen. Aber auch draußen: Wenn ich jetzt hier aus dem Fenster schaue und/oder in den Garten gehe, dann beobachte ich die Natur, wie gerade alles wächst und betrachte die Farben der Natur. Auch der Wald im Jahreszeitenwechsel ist eine große Inspirationsquelle für mich. Ich beobachte alles ganz genau.
Auch der Wald im Jahreszeitenwechsel ist eine große Inspirationsquelle für mich.
Was für ein Esstisch steht denn bei dir zu Hause?
Das ist ein alter Tisch, ein einfacher Fichtenholztisch mit einer Schublade. Er ist nicht besonders breit, er hat, glaube ich, eine 70er-Breite, aber er ist lang und aus altem Holz mit Wellen und Rissen, das gelebt hat.
Hast du denn täglich eine neue Tischdecke darauf? Tisch decken ist das neue Anziehen, habe ich letztens bei einer Influencerin gelesen.
Gerade jetzt habe ich einen Läufer auf meinem Tisch liegen, in Blau. Dazu passend eine blaue Keramik, ein blaues Arrangement. Ich kaufe sehr viel Keramik, die kann ich dann mit meinen Tischdecken komponieren. Tatsächlich wechsle ich fast täglich meine Tischdecken. Damit ziehe ich den Raum an. Ohne Textilien zu leben, macht für mich einen Raum einfach kalt. In den 80er- und 90er-Jahren sollte ja alles möglichst clean sein, da hatten die meisten so wenig Textilien wie möglich in einem Raum, mir persönlich gefällt das nicht.
In einem Raum, der bekleidet ist, egal ob mit Tischdecke, Vorhang oder Teppich, fühlt man sich einfach wohler.
Meiner Meinung nach muss eine Tischdecke auch nicht hundertprozentig auf den Tisch passen. Wenn man einen schönen Tisch hat, dann kann man am Ende auch ein bisschen Holz sehen. Mit dem Thema Tischdecke könnten wir ruhig ein bisschen lässiger umgehen.
Wie deckst du deinen Tisch, wenn Freunde und Freundinnen zu dir kommen?
Als Tischdecke wähle ich meine „Blütenmix“ in Maigrün. Eine meiner Lieblingskeramiken kommt aus den keramischen Werkstätten Margaretenhöhe in Essen. Die haben jetzt gerade 100-jähriges Jubiläum gehabt. Das Geschirr hat klassische Formen, die wirklich Jahrzehnte überstanden haben, eine tolle Glasur und schöne Farben, die miteinander harmonieren. Davon habe ich Suppenteller und Essteller in zwei verschiedenen Grüntönen und in Schwarz. Auf die Teller kommen Leinenservietten von mir.
Wenn es ganz schlicht sein soll, decke ich mit naturfarbenen Tontellern von einer Keramikerin hier aus Lüneburg. Dazu ein naturfarbenes Leinen wie meine Tischdecke Ringo und vielleicht eine Leinenserviette in einem Farbakzent, das finde ich auch toll.
Bald ist ja Weihnachten. Wie sieht dieses Jahr dein Weihnachtstisch aus?
Dieses Jahr wird mein Weihnachtstisch nachtblau werden mit blauen Tellern und blauen Servietten (@ Birgit: Welche Tischdecke aus deinem Shop?) Wichtig sind mir auch schöne Wein- und hochwertige Wassergläser.
Was die Blumen angeht, lasse ich mich überraschen. Hier in Lüneburg haben wir einen wunderbaren Wochenmarkt direkt vor dem alten Renaissance-Rathaus mit Bioprodukten und einheimischen Blumenhändlern. Da werde ich sehen, was mir über den Weg läuft. Da ich auch viele Vasen besitze, suche ich dann die passende dazu aus. Über unserem Tisch hängt unser großer Adventskranz, selbst gemacht aus Kiefern und Gehölzen. Dessen Kerzen werden dann angezündet, auf dem Tisch habe ich nur ein bis zwei Kerzen stehen.
Kochst du gerne? Und was gibt es bei euch an Weihnachten zu essen?
Ich koche sehr gerne und kaufe jedes Gemüse auf unserem Wochenmarkt ein. Der Markt inspiriert mich auch.
An Heiligabend haben wir traditionell Fleischfondue mit selbst gemachten Dips. Und am ersten Weihnachtstag gibt es einen Puter, der hier bei uns im Wendland aufgewachsen ist. Mein Mann, der dort gearbeitet hat, kennt den Bioland-Hof, von dem wir ihn holen. Der Vogel wird dort erst kurz bevor wir Fleisch abholen geschlachtet. Unterm Jahr essen wir nicht viel Fleisch, aber an Weihnachten hat der Puter Tradition.
Mischt sich dein Mann bei der Tischdeko ein?
Nein. Aber mein Mann findet alles schön. ;) Ich habe schon das Gefühl, dass zumindest in unserer Generation Tischdekoration noch mehr ein Frauenthema ist, auch wenn ich meine Käuferschaft anschaue. Bei uns decke ich den Tisch und das Essen bereiten wir gemeinsam zu. Vielleicht ändert sich das ja auch in den kommenden Generationen, denn früher haben ja auch nur die Frauen gekocht.
Liebe Birgit, herzlichen Dank für das Interview. Und falls euch die tollen Tischdecken von Birgit genauso gut gefallen wie uns, dann schaut unbedingt auf ihrem Shop vorbei birgitmorgenstern.de
© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
All rights reserved. Do not use our pictures and content without our permission.
Alle Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne unsere Einwilligung übernommen und verwendet werden.
Wir freuen uns auf deinen Kommentar