08•05•2025

Wo ist mein Müßiggang geblieben? – Gedanken über die verlorene Leichtigkeit.

Ist der Müßiggang aller Laster Anfang? Ich empfinde Müßiggang eher als die hohe Kunst des Nichtstuns, die mir persönlich aber leider über die Jahre abhandengekommen ist. Dabei ist das „Dolce far niente“ – im Italienischen klingt es gleich viel besser – doch so ein wunderbarer, schöner und erstrebenswerter Zustand.

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Müßiggang Uli auf Wiese, Gänseblümchen

Letzten Sonntag habe ich mit meiner Freundin Claudia telefoniert. Nachdem wir uns auf Stand bezüglich unseres Alltags gebracht hatten, haben wir beide festgestellt, dass uns alles, was sich gerade so in der Welt und in unserer beiden Leben so anstaut, belastet, mitnimmt und oft auch überfordert. Mehr als früher und was genau uns denn fehlt, damit wir dem entgegensteuern können.


Keine Ahnung, wie es euch gerade damit geht, aber ich merke schon, das macht etwas mit mir, diese unstete Situation im Außen, die sich dann leider doch oft auch auf das Innen überträgt. 


Nachdem ich aufgelegt hatte, habe ich noch lange darüber nachgedacht, was genau denn so schwer zu ertragen ist, was sich verändert hat und warum ich es nicht mehr schaffe, die Leichtigkeit in meinem Alltag zu spüren und zu verankern. 

In letzter Zeit ertappe ich mich immer öfter bei einer leisen Sehnsucht. Es ist nicht ein dramatisches Vermissen, eher ein feines Ziehen in der Tiefe, das mir zeigt: etwas fehlt. Etwas, das früher ganz selbstverständlich zu meinem Leben gehörte – der Müßiggang. Was für ein seltsames und antiquiertes Wort, aber ich finde auch nur schwer ein anderes Wort, das diesen, für mich erstrebenswerten Zustand auch nur annähernd beschreibt. Naja doch, eben das italienische 

„Dolce far niente“

Mit Müßiggang oder „Dolce far niente“  meine ich nicht die Faulheit oder Resignation. Ich meine dieses absichtslose, freie Dahintreiben. Zeiten, in denen ich mich nicht fragte, wie effizient ich bin oder ob sich etwas „lohnt“ und sinnvoll ist. Zeiten, in denen ich einfach da bin, mit mir, mit dem Tag, mit dem Leben. Solche Momente, wenn überhaupt, sind in meinem Alltag selten geworden – es fühlt sich fast ein bisschen an wie eine verlorene Kunst.

Ich bilde mir ein, in meiner Jugend hatte ich dieses „Dolce far niente“ ganz selbstverständlich. Da musste ich gar nicht darüber nachdenken. Ich konnte stundenlang durch die Gegend laufen, ohne wirkliches Ziel. Auf einer Parkbank sitzen und Leute beobachten. In einem Buch blättern, ohne es zu lesen. Gedanken nachhängen, ohne sie festhalten zu müssen. Mit einem Bleistift vor einem leeren Zeichenblatt sitzen oder einfach nur Löcher in die Luft schauen. Da war ein Gefühl von innerer Weite, ein Raum, in dem alles möglich war – oder auch gar nichts. Und das war völlig in Ordnung. Nein, es war sogar ganz wunderbar befreiend.


Wikipedia sagt dazu: „Müßiggang bezeichnet das Aufsuchen der Muße, das entspannte und von Pflichten freie Ausleben, nicht die Erholung von besonderen Stresssituationen oder körperlichen Belastungen. Er geht z. B. mit geistigen Genüssen oder leichten vergnüglichen Tätigkeiten einher, kann jedoch auch das reine Nichtstun bedeuten.“


Jetzt bin ich 60. Mein Leben ist wirklich erfüllt – beruflich, privat, organisatorisch. Ich weiß viel, ich kann viel und ich mache viel. Und doch fehlt mir manchmal das Gefühl, wirklich im Moment zu sein. Ich bin oft so beschäftigt damit, die Tage zu managen, Termine zu koordinieren, Erwartungen zu erfüllen – dass ich darüber vergesse, wie sich echte Zeitlosigkeit anfühlt. Und dabei denke ich, dass es doch so wichtig wäre. Vor allem für mich als kreativen Kopf. Früher hatte ich genau in diesen Momenten viele meiner kreativsten und originellsten Ideen.

Wo ist er hin, der Müßiggang?

Was ist denn eigentlich passiert? Wann wurde aus einem Tag eine To-do-Liste? Wann wurde das Innehalten zur Ausnahme statt zur Regel? Ich frage mich das ernsthaft, weil ich merke, wie sehr mir diese Leichtigkeit fehlt. Nicht die Verantwortungslosigkeit der Jugend – die brauche ich heute gar nicht mehr. Aber die Freiheit im Kopf, das Schweifen der Gedanken, das Sich-treiben-lassen … das vermisse ich wirklich sehr.

Manchmal frage ich mich: Gibt es überhaupt noch Platz für Müßiggang in einem Leben mit Verpflichtungen, Familie, Beruf, Alltag? Oder ist es etwas, das wir bewusst zurückerobern müssen – gegen den Strom unserer Zeit? Ich glaube, dass es fast undenkbar ist, Zeitlosigkeit zu erleben. Wahrscheinlich ist es sogar fast verwerflich. Wie schade.

Meiner Meinung nach braucht Müßiggang heute eine neue Form von Mut. 

Den Mut, nicht immer verfügbar zu sein. Den Mut, nicht produktiv zu wirken. Den Mut, einfach mal nichts zu tun – und sich dafür nicht zu rechtfertigen. Müßiggang ist für mich heute kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstachtung. Und Müßiggang ist wohl eine Art von Luxus geworden. Ich persönlich möchte so gerne mal wieder einen Tag oder nur ein paar Stunden damit verbringen, einfach nur Löcher in die Luft zu starren und das ohne schlechtes Gewissen, dass ich damit einfach Zeit verdaddelt habe.

Vielleicht beginne ich damit mal im Kleinen. Zehn Minuten auf dem Balkon ohne Handy. Ein Spaziergang ohne Podcast im Ohr. Ein Sonntag, an dem ich nichts geplant habe. Vielleicht ist das mein Weg zurück zu einer Leichtigkeit, die ich nie ganz verlieren möchte – auch nicht mit 60. Ich habe mir vorgenommen, daran zu arbeiten!

Denn so sehr ich das gewachsene Leben schätze, mit all seiner Tiefe und Erfahrung: Ich wünsche mir wieder mehr Weite. Mehr Müßiggang. Mehr Zeit, die nicht genutzt, sondern einfach gelebt wird. Mehr „Dolce far niente“!


Wie geht es euch damit? Wann wart ihr das letzte Mal einfach nur da – ohne Plan, ohne Ziel, ohne schlechtes Gewissen?

 

Müßiggang Hausschuhe

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