02•06•2022 ••

FTF Die Buchstaplerin #19 - Schönheit

Ein Thema, das die meisten Frauen einen Großteil ihres Lebens beschäftigt, ist die eigene Schönheit und Attraktivität. Zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu viel Busen, zu wenig Busen und dabei immer die Frage - wie bin ich richtig? Besonders die Medien beeinflussen unser Bild von Schönheit und üben gesellschaftlichen Druck aus: Die „perfekte“ Frau hat volle Lippen, weiße Zähne, lange, glänzende Haare, jugendliches Aussehen und die Idealmaße 90-60-90. Aber wer von uns entspricht schon diesem „Ideal-Bild“? Und wollen wir wirklich unser Leben lang einer Projektion hinterherlaufen?


„Nach all den Jahren, in denen ich als Frau hörte, ich sei nicht dünn genug, nicht schön genug, nicht klug genug, ich hätte von diesem und jenem nicht genug … wachte ich eines Morgens auf und dachte: Ich bin genug.“ (Anna Quindlen)


 

Wie es ist, auf den eigenen Körper reduziert zu werden, damit beschäftigt sich das erfolgreiche Model Emily Ratajkowski in ihrer scharfsinnigen Essaysammlung „My Body – Was es heißt, eine Frau zu sein“ (Penguin Verlag). Schonungslos setzt sie sich mit der problematischen Beziehung zum eigenen Körper auseinander, thematisiert Misogynie, Missbrauch und sexualisierte Gewalt und zeigt die patriarchalen Machtdynamiken der Unterhaltungsindustrie auf:


„In meinen frühen Zwanzigern hatte ich nie darüber nachgedacht, dass die Frauen, die ihren Einfluss durch ihre Schönheit errungen hatten, dafür in der Schuld von Männern standen, deren Begierde den Frauen diese Macht allererst verlieh.“


Authentisch und ehrlich erzählt Emily Ratajkowski in einer Mischung aus Autobiografie und Essaysammlung von ihren persönlichen Erlebnissen, ihren unterschiedlichen Rollen im Leben, ihren Erfahrungen in der Medienbranche und sie versucht, ihr eigenes Verständnis von Feminismus und Patriarchat zu vermitteln. Es ist ein schonungsloser Blick hinter die Bilderbuchfassade des Model-Business, zeigt, wie Schönheit zur Ware wird und wie komplex die Machtstrukturen dahinter sind. Ein Buch, das zum Nachdenken und zum Weiterdiskutieren anregt!

 

Ein kleiner, feiner Roman, der mich noch immer beschäftigt und der sich intensiv mit Schönheit und Alter auseinandersetzt, hat überraschenderweise ein Mann geschrieben: „Die Frau, die nicht alterte“ von Grégoire Delacourt (Atlantik Verlag, Übersetzung: Katrin Segerer). Wer hat nicht schon mal davon geträumt, für immer jung auszusehen? Die Ich-Erzählerin Martine führt ein glückliches Leben mit ihrem Mann Andre und ihrem Sohn Sebastien und sie blickt voller Vorfreude auf die Zukunft. Doch als sie mit dreißig plötzlich aufhört, äußerlich zu altern, beginnen die Schwierigkeiten. Was zunächst ganz wunderbar scheint, entwickelt sich zunehmend als große Belastung:


„Die meisten Frauen träumen davon, ewig jung zu bleiben, aber glauben Sie mir, es ist ein Fluch … So zu sein wie ich, ist kein Glück. Man schaut mich an, aber man sieht nicht mich, nur eine Anomalie. Eine Illusion.“


Es ist eine Zerreißprobe für Familie und Freundeskreis: denn wer will für immer jung sein, wenn all die Liebsten im Umfeld sichtlich altern? Wenn der eigene Sohn sich für die viel zu jung aussehende Mutter schämt? Wenn der geliebte Mann sich nicht mehr auf Augenhöhe fühlt? Und wenn die beste Freundin hingegen alles dafür tut, um jünger auszusehen? Grégoire Delacourts einfühlsame Geschichte ist ein Plädoyer gegen den Jugendwahn und für die Schönheit des Alterns. Unser Körper ist gezeichnet von unseren gelebten Jahren und es ist wichtig, die Jahreszeiten des Alterns würdevoll anzunehmen – eine lebenskluge Parabel, die den Stellenwert von Äußerlichkeiten ins richtige Licht zu rücken versteht!


Vielen Dank! Der Atlantik Verlag stellt uns drei Exemplare zur Verfügung, die wir auf Instagram verlosen!


Auf ganz andere Art und Weise setzt sich die Schwedin Liv Strömquist mit dem Thema „Schönheit“ auseinander: Ihr Buch „Im Spiegelsaal“ (Avant-Verlag, Übersetzung: Katharina Erben) beschäftigt sich in fünf Essays aus unterschiedlichen Perspektiven anhand von Sachcomics mit Schönheitsidealen und der Scheinwelt sozialer Medien. Liv Strömquist hinterfragt kritisch das Konstrukt Schönheit, beleuchtet es historisch, philosophisch und kulturell und kombiniert Sprachwitz mit vielschichtigen, ausdrucksstarken Comics, die die Macht der Bilder im Internet entlarven und in Frage stellen: Es wird mit Bildern kommuniziert, sich selbst dargestellt und auch das Gegenüber wird in Bildern wahrgenommen. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Und hat das unseren Begriff von Schönheit beeinflusst? Mit scharfem Blick und viel Humor spiegelt sie in ihrer Graphic Novel unsere Zeit mit Optimierungswahn, Perfektionismus und fragwürdigen Vorbildern und lässt uns viel Raum zum Nachdenken über die eigenen Vorstellungen von Schönheit. 

  

Um Selbstdarstellung in den sozialen Medien geht es auch in dem Roman „Die Kinder sind Könige“ von Delphine de Vigan (DuMont Verlag, Übersetzung: Doris Heinemann): Als junges Mädchen vergöttert Melanie die Stars von „Big Brother“ und sie träumt davon, eines Tages ähnlich berühmt zu werden. Jahre später, als Mutter zweier entzückender Kinder, scheint sie ihren Traum leben zu dürfen: Sie ist eine erfolgreiche You-Tuberin mit Tausenden von Followern, indem sie ihre Kinder täglich filmt, inszeniert und vermarktet. Als Belohnung spürt Melanie die unendliche Liebe aus dem Netz und ein gut gefülltes Bankkonto. Doch ihre Tochter Kimmy zeigt sich beim Filmen zunehmend unwillig und als das kleine Mädchen eines Tages auf dem Spielplatz verschwindet, bricht die perfekte Welt der Familie zusammen. Die Polizistin Clara macht sich auf Spurensuche und begibt sich in die Abgründe der Social Media Welt …


Ein Roman, der den Finger in die Wunde unserer Zeit legt: Nichts scheint wichtiger als schön, berühmt und geliked zu werden und dabei führen Menschen zum Teil ein wahres Parallelleben, das mit der Wirklichkeit nicht mehr viel zu tun hat.


Nüchtern, beklemmend und fesselnd entwickelt die Geschichte einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Ein Blick in die nahe Zukunft rundet den Roman am Ende gekonnt ab - ein aktuelles Thema, messerscharf erzählt!!


„Bis zu diesem Tag spanne ich an jeder roten Ampel den Po an, wippe auf dem Vorderfuß, wenn ich im Supermarkt anstehe, nehme die obere Brotscheibe von meinem Sandwich und zerreiße Fotos, die mich in einem ungünstigen Licht zeigen. Mein tägliches Glücksgefühl hängt von einer Zahl auf der Waage ab, so schwachsinnig ich das auch finde.“


Die namenlose Protagonistin des Romans „Vladimir“ von Julia May Jones (Blessing Verlag, Übersetzung: Eva Bonne) ist Literaturprofessorin an der amerikanischen Ostküste, wird von ihren Student:innen verehrt und geschätzt und lebt mit ihrem Ehemann, der am selben College unterrichtet, eine offene Beziehung. Sie ist Ende fünfzig und der Zahn der Zeit nagt an ihrem Selbstbewusstsein - die drohende Suspendierung ihres Mannes wegen Affären mit Studentinnen machen die Situation nicht besser, ihr Wertesystem gerät ins Wanken. Soll sie sich von ihrem Mann distanzieren und sein Verhalten öffentlich verurteilen? In dieser emotional aufgeladenen Lebensphase trifft sie auf den zwanzig Jahre jüngeren Kollegen Vladimir, der mit seiner Familie neu am College anfängt. Von der ersten Begegnung an ist sie fasziniert von seinem guten Aussehen, seinem Auftreten, seiner sexuellen Ausstrahlung und sie fiebert wie ein Teenie jedem Treffen entgegen. Aber hat ein Mann wie Vladimir überhaupt Interesse an einer alternden Frau? Vladimir wird für sie zur Obsession und die kurzen Begegnungen entzünden bei ihr ein Feuer an Fantasien und Gefühlen, die ihre poetische Kreativität wieder zum Leben erwecken … Großartige Unterhaltung mit Esprit und Humor, gepaart mit kluger Gesellschaftskritik und dabei sprachlich immer wieder auf den Punkt gebracht – ein Debütroman, der mich beeindruckt hat!!

 

Ein Mutmacher und eine Inspirationsquelle für Frauen in der zweiten Lebenshälfte ist der Bildband „In voller Blüte“ der niederländischen Fotografin Denise Boomkens (Knesebeck Verlag, Übersetzung: Bea Reiter). Wie entspannt, gelassen, stilsicher und schön Frauen zwischen 40 und 100 Jahren sein können, zeigt die Autorin in über 100 Portraits. Es geht um die Kunst des Älterwerdens, um die persönlichen Erfahrungen und Ansichten und um das große Glück, alt werden zu dürfen. Schönheit zeigt sich auch in Falten und grauen Haaren, wenn die Frau dahinter authentisch, zufrieden und glücklich ist. Wie das gelingen kann, verraten die unterschiedlichsten Frauen: Sich nicht mit anderen zu vergleichen, Solidarität unter Gleichgesinnten zu suchen, das Glück im Kleinen zu sehen, sich nicht immer zu ernst zu nehmen, nicht aufhören zu träumen und auf die eigene Weisheit und Erfahrung zu vertrauen führen zu mehr Gelassenheit und Selbstakzeptanz.


Wir können in jedem Alter schön aussehen. Es kommt auf die richtige Kleidung und die richtige Einstellung an. Es gibt nichts Schöneres als eine Frau, die zufrieden und glücklich mit sich selbst ist.“


Es ist nicht immer einfach älter zu werden, aber Denise Boomkens zeigt mit ihren natürlichen Fotografien und den dazu gehörenden Geschichten eindrücklich, wie vielseitig und schön das Alter sein kann!!

 

In der Historie gab es schon immer Schönheitsideale und Modetrends, denen gefolgt wurde. Heute überfluten uns die Medien mit Bildern, die uns beeinflussen - ob wir das wollen oder nicht. Trotzdem können wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir uns diesem Druck nicht beugen müssen, denn wir alle sind auf unsere individuelle Art und Weise schön und einzigartig! 


Und wie sagt die Burlesque-Tänzerin Dita von Teese so wunderbar: „Du kannst der reifste, saftigste Pfirsich auf der Welt sein, aber es wird immer jemanden geben, der keine Pfirsiche mag.“    


In diesem Sinne wünsche ich euch einen herrlich entspannten Sommer!

Wir lesen uns!
Eure Buchstaplerin                                                                                   


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