25•03•2021

Farb- und Stilberatung

Ich habe ein Zoominterview (leider immer noch) mit Nadine Wittig. Sie macht Farb- und Stilberatung, ist Raumgestalterin und Kostümbildnerin in einer Person und bezeichnet sich selber als „Auge von außen“ und sanfte Führerin.

Uli: Nadine, du hast gleich drei Bereiche, die du abdeckst. Farb- und Stilberaterin, Raumgestalterin und Kostümbildnerin in einer Person. Was war der Ursprung für dein Business?

Nadine: Also, nach dem Abitur wusste ich noch gar nicht, wo die Reise hingeht. Ich bin durch Zufall beim Kostümbild gelandet, ich hatte das gar nicht vor. Ich hatte davor eine Schneiderlehre absolviert und habe aber dann bemerkt, dass mir die Arbeit als Kostümbildnerin ganz gut gefallen würde, und dass ich auch ein ganz gutes Händchen dafür habe. Und lustigerweise beinhalten Kostümbild, Farb- und Stilberatung und Raumgestaltung immer die gleichen Themen. Es geht immer um den Menschen, es geht immer um Farben und Stoffe, ums Aussehen und darum, Gefühle zu vermitteln. Deshalb ist das gar nicht so abwegig, diese Bereiche zu kombinieren. Als Kostümbildnerin arbeite ich natürlich ganz eng mit dem Ausstatter zusammen, auf welchem Sofa sitzt die Schauspielerin oder vor welcher Wand steht sie oder in welchem Haus lebt sie, denn dazu muss dann natürlich auch wieder das Kostüm passen. Es muss eben immer alles stimmig sein und deshalb war das von Anfang an ein ganzheitlicher Ansatz.

Diese Expertise kommt mir jetzt unglaublich zugute. Ich wollte natürlich während meiner Tätigkeit als Kostümbildnerin mein Feld erweitern und das dann an „realen“ Menschen erproben.

Ich habe mich dann auch noch mal ausbilden lassen, gerade was das Thema Farbpsychologie angeht.


Die Seele hat die Farbe deiner Gedanken. Marc Aurel


Uli: Dein Steckenpferd sind die Farben. Inwieweit haben Farben eine Wirkung auf die Persönlichkeit von Menschen?

Nadine: Farben haben eine unglaublich große Wirkung auf unsere Persönlichkeit. Im Idealfall matcht unsere Persönlichkeit mit der Farbwahl. Farben, die zu unserer Persönlichkeit passen, können uns viel Kraft und Energie geben, ein Wohlgefühl, und uns unterstützen in den Themen, die wir gerade haben. Themen ändern sich nach Lebenssituation und Alter. Farben sind uns immer dienlich, wollen uns helfen, uns begleiten und uns vorwärts bringen.

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Uli: Glaubst du, dass man Lieblingsfarben intuitiv wählt und diese dann auch den eigenen Typ unterstreichen? Und behält man seine Lieblingsfarben für immer?

Nadine: Wenn wir uns zu Farben hingezogen fühlen, steckt dahinter immer ein Thema. Jede Farbe hat eine andere Aussage. Schwarz ist anders als Rot, und Gelb anders als Grün. In der Farbpsychologie stehen Farben für bestimmte Bedeutungen und Wirkungen. Rot steht zum Beispiel für Leidenschaft, Liebe, Sexualität, Wut, Gefahr, Leben, Aggression. Jede Farbe hat gesetzte archaische Bedeutungen. Und dann muss man aber auch wieder bei dem einzelnen Menschen gucken, was macht die Farbe mit dem Einzelnen. Und es kommt auch auf den kulturellen Kontext an.

Lieblingsfarben können sich schon im Laufe des Lebens verändern. Farben wollen uns immer etwas sagen oder uns in unserer Entwicklung unterstützen.  

Eine Kundin hatte mal eine Rotphase. Alles war rot, Kleid, Tasche, Mantel, Schuhe. Sie wollte dadurch einfach sichtbarer werden. Mit Schwarz zum Beispiel wäre diese Person nicht so sichtbar gewesen. Und plötzlich war das Thema ausgeklungen, die Phase war bedient und dann kam auf einmal eine andere Farbe dazu. 


Die beste Farbe der ganzen Welt ist die, die gut an dir aussieht. Coco Chanel


Uli: Wie bestimmst du denn die Farben?

Nadine: Oft bestimme ich das für mich schon mal vorab. Aber wichtig ist es mir, dass die Kundin das auch selber sieht. Ich lege verschiedene Farbtücher um ihren Hals und die Kundin kann recht schnell im Spiegel erkennen, wie unterschiedliche Farben ihr Aussehen verändern. Plötzlich verschwinden kleine Fältchen oder es tauchen welche auf.  Mit manchen Tönen fühlt sie sich wohler als mit anderen.

Farben können uns alt aussehen lassen oder besser, jünger und strahlender. Manchmal haben wir doch so schöne und sogar teure Teile im Schrank, die wir einfach nicht herausholen. Das kennt doch jede von uns. Und wir wundern uns, warum wir sie nicht anziehen. Oft ist es die Farbe, die nicht zu unserem Farbtyp passt und deshalb bleiben sie dann im Schrank hängen. Eigentlich schade!

 

Uli: Welche Wirkung haben Farben in Räumen? Farben sind ja hier auch ein sehr präsentes Thema.

Nadine: Klar haben Farben in Räumen eine große Wirkung. Es geht hier immer um die Atmosphäre, die man schaffen möchte. Möchte ich zum Beispiel einen Raum kuschelig und erdig gestalten, dann streiche ich den nicht in einem knalligen Gelb, sondern in Erdtönen. Die Frage ist, welche Stimmung möchte ich in einem Raum erzeugen und danach wähle ich die Farben. Farben können Räume natürlich auch kleiner oder größer wirken lassen.

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Uli: Wie gehst du als Raumgestalterin vor? Raum für Raum oder erstmal das große Ganze?

Nadine: Zuerst bitte ich die Kundin, einen Fragebogen auszufüllen, indem ich schon mal die wichtigsten Dinge abfrage. Welche Art von Räumen sind es, Wünsche, das Umfeld, wer wohnt hier. Dann lasse ich mir auch Fotos und einen Grundriss schicken. So habe ich schon mal einen ersten Eindruck. 

Und dann höre ich natürlich ganz genau hin, was möchte die Kundin? Und was ich auch immer sofort mit einbeziehe, da kommen mir meine Farbtypen zugute, was ist dieser Mensch für ein Farbtyp. Dann weiß ich schon mal, dass bestimmte Farben stimmiger sind. Auch der erste Eindruck ist wichtig und in welchem Umfeld sich der Mensch bewegt, in welchem Umfeld steht das Objekt? Das große Ganze also und dann gehe ich Raum für Raum weiter. Wichtig ist, mir geht es nie darum, weder bei Räumen noch bei der Kleidung, was gerade Mode oder Trend ist. Viel spannender ist, was braucht die Kundin?  

Manchmal geht es auch nur um Kleinigkeiten - ein paar Dinge umstellen oder ein Sofa in einer anderen Farbe beziehen und plötzlich ist alles schon viel stimmiger. Manchmal muss nur der Blick wieder geweitet werden.


Mode ist vergänglich. Stil niemals. Coco Chanel


Uli: Ein Zitat von Coco Chanel lautet: „Mode ist vergänglich. Stil niemals.“ Was macht für dich den Unterschied von Mode zu Stil?

Nadine: Da gibt es natürlich einen Unterschied. Ich könnte das gut in einem Satz sagen. 

Bei Mode sage ich mir: „Oh, da mache ich mit!“ Und wenn ich eher stilmäßig denke, dann sage ich: „Warum sollte ich das mitmachen?“

 

Uli: Stil hat man oder man hat ihn nicht. Bist du der Meinung, dass man Stil erlernen kann?

Nadine: Ich finde schon, dass man Stil lernen kann. Es gibt sicher Menschen, denen liegt es von Geburt aus mehr und andere haben nicht so ein Händchen dafür. Und wenn ich in dem Bereich unsicher bin, dann kann ich mich natürlich beraten lassen. Denn durch Magazine lassen wir uns manchmal verunsichern. Die ständig wechselnden Trends führen oft zu Verwirrungen, wenn wir nicht sattelfest sind.  

 

Uli: Und denkst du, Stil hat etwas mit Alter zu tun? Oder ist man im Alter stilsicherer?

Nadine: Natürlich verändern sich mit den Jahren unser Körper, die Haut, die Haare und die Figur. Das Alter verzeiht nicht mehr so viel wie in der Jugend. Das heißt natürlich nicht, dass ich im Alter keine kurzen Röcke tragen „darf“.  Die einen werden im Alter stilsicherer und die anderen werden unter Umständen unsicherer.

 

Uli: Du machst auch Kostümausstattungen für Filme. Wie spannend ist es für dich, mit Schauspielern zu arbeiten?

Nadine: Ich liebe die Abwechslung, deshalb mache ich das auch noch. Und es ist natürlich ein ganz anderes Arbeiten, weil da immer auch noch mal eine Dramaturgie dahintersteckt. Oft kann ich mit dem Kostüm auch mal die Handlung total überzeichnen, was sehr spannend ist.

 

Uli: Gibt es da auch mal Protest von den Akteuren? Wenn ja, wie gehst du damit um?

Nadine: Klar, die Schauspielerinnen haben natürlich auch ihre Meinungen und Wünsche, das sind ja keine Anziehpuppen. Sie haben eine Vorstellung von ihrer Rolle und wie ihr Kostüm sie in ihrer Rolle unterstützen soll und im Idealfall stimmen diese Vorstellungen mit meinen überein, und dann gibt es ja auch noch einen Regisseur, einen Producer und einen Produzenten, die noch mitreden. ;-)

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Uli: Woher beziehst du deine Inspirationen? In der Mode, beim Film und auch in Räumen?

Nadine: Ich schau mir viele Sachen an und klar kaufe ich mir auch ab und an mal ein Modemagazin. Aber eigentlich weiß ich, was los ist und welcher Trend jetzt als nächstes kommt. Mich inspirieren auch Filme, Theater, Museen. Ich gehe einfach mit offenen Augen durch die Welt und speichere mir Dinge ab, die ich sehe und vielleicht brauchen könnte. Auch die Natur oder fremde Länder geben mir immer wieder neue Ideen. Ich sauge Dinge auf und ziehe sie aus dem Fundus der Inspirationen, wenn ich sie brauche.

 

Uli: Eine letzte Frage. Bist du bei deinem eigenen Stil in der Mode und in deinen privaten Räumen immer total sicher oder gibt es da auch mal Zweifel? 

Nadine: Natürlich weiß ich schon, was mir steht. Farben und Stoffe und eben auch, was definitiv nicht funktioniert. Manchmal sehe ich die Nachbarin mit einem supertollen Teil und weiß aber, das brauche ich gar nicht probieren, das steht mir nicht.

Trotzdem habe ich auch mal Unsicherheiten, weil wir einfach zu nah an uns dran sind. Wir haben nicht dieses klare Bild von uns oder wir möchten jemand anderes sein und tatsächlich frage ich dann meinen Mann. Und wenn er dann schon sagt „naja, geht schon so …“, dann weiß ich, das ist mir nicht genug (lacht). Da hat er ein wirklich gutes Gespür. 

Ab und an braucht man einfach diesen Blick von außen.

 

Uli: Liebe Nadine, herzlichen Dank für dieses schöne Interview. Ich finde das Thema Farben nicht nur aus beruflicher Sicht spannend, sondern eben auch …

Farben sind das Lächeln der Natur. William Holman Hunt

Habt ihr denn Fragen zu diesem spannenden Thema? Dann freuen wir uns sehr darauf.


Nadine Wittig hat ihr Atelier im Glockenbach in der Pestalozzistr. 25, 80469 München

Erreichen kann man sie unter nadinewittig.com

 

Fotos: Janine Guldener & Esther Neumann

 


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Kommentare

Marlen

Vielen Dank für dieses inspirierende Interview! Ich selbst beschäftige mich immer mal wieder mit dem Thema Farben,beispielsweise wenn es um das Umdekorieren oder Streichen unserer Wohnung oder um neue Kleidung geht. Ich stimme völlig zu, dass man vieles erst einmal angezogen oder gesehen haben muss, ich war öfter schon erstaunt, wie gut mir ein Teil stand, was an der Stange viel zu farbenfroh für mich aussah. Oder auch, wie ein Raum dann wirklich wirkt. Mut zur Farbe kann manchmal nicht schaden, aber es muss eben auch passen und man muss sich wohlfühlen.
Mir hat das Interview auch so gut gefallen, weil Frau Wittig 3 Berufe in einem vereint und das einfach so super passt. Das finde ich sehr inspirierend und zeigt doch, dass offene Augen und ein gutes Bauchgefühl sich auszahlen. Viel Freude weiterhin!

Liebe Marlen,
da geht es mir ähnlich wie dir. Ich dachte immer, dass ich intuitiv die richtigen Farben für mich wähle. Aber ich bin auch immer wieder mal überrascht von einer Farbe, die ich so nie gewählt hätte. Ähnlich geht es mir mit Wänden in meiner Wohnung. Lassen wir uns weiter überraschen. ♡ Uli

Liebe Marlen, vielen Dank für dein schönes Kompliment. Ja, wie du auch sagst, die Farben müssen immer zu der einzelnen Person passen. Und wenn das so ist, dann können Farben sowohl in der Kleidung als auch in Räumen wahre Wunder bewirken.

Gordana Harer

Sehr schöner Beitrag der auch genau beschreibt was ich in meinem Leben beobachten konnte. Ich bin sehr aktiver und spritziger Mensch und Farben haben immer meine Stimmungen und Gefühle unterstrichen. Ich habe sehr farbenfroh gelebt. Gerade ändert sich einiges. Ich sehne mich nach langsame, einfache Leben. Ich trenne mich von allem was ich nicht brauche. Ich habe meine Wände weiß gestrichen, alles was nach Aufmerksamkeit schreit weggegeben und ich habe Gefühl frei zu sein. Ich habe im Winter ausschließlich schwarz getragen. Irgendwie hat mir das geholfen alles auszuhalten, Ruhe bewahren. Wenn man sich nicht nach aktuelle Trends richtet macht man intuitiv alles richtig. Das kann so heilsam sein.

Liebe Gordana,
ich glaube, wenn man sich auf seiner inneren Stimme hört und die Gefühle wahrnimmt, dann ist es auf alle Fälle richtig. Manchmal braucht man eben auch ruhige Phasen und keine Ablenkung.Das trifft sicher auch auf Farben zu. Und vielleicht kommt auch wieder eine andere Phase. Wer weiß das schon ;-) Hab ein schönes Wochenende. ♡ Uli

Liebe Gordana, genau so ist es! Wir brauchen unterschiedliche Farben in unterschiedlichen Lebensphasen. Herzliche Grüße, Nadine

Cornelia Jordy

Danke liebe Altersgenossinnen für die Inspiration und auch für Euer Buch.

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