30•10•2025

FTF Die Buchstaplerin #47 – von Müttern, Töchtern und Schwestern

Mütter, Töchter und Schwestern sind auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verbunden: Rein biologisch sind sie genetisch verwandt. Aber viel wichtiger ist die emotionale Bindung voller Liebe und Vertrauen, aber auch oft verbunden mit Eifersucht und großem Konfliktpotenzial. Sie teilen meist die gleichen Traditionen und Werte, haben gemeinsame Erinnerungen und beeinflussen sich – bewusst oder unbewusst – gegenseitig.
Da ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Autorinnen Romane zu diesem Beziehungsgeflecht geschrieben haben und uns mit ihren Geschichten unterschiedliche Sichtweisen aufzeigen.
Ich selbst bin Mutter und Tochter, habe aber keine Schwester – zum Glück gibt es die Literatur, die mir auch da kleine Einblicke gewährt!


„Ich könnte mir keine Welt ohne meine Schwestern vorstellen – sie sind mein Herz und mein Zuhause.“


Ein Klassiker über Schwestern ist der Roman Little Women (auf Deutsch: „Betty und ihre Schwestern“) von Louisa May Alcott (Anaconda Verlag), der in den 1860er-Jahren in Neuengland spielt: Die March-Schwestern Meg, Jo, Beth und Amy leben zusammen mit ihrer Mutter Marmee in ärmlichen Verhältnissen, ihr Vater leistet als Geistlicher seinen Beitrag im amerikanischen Bürgerkrieg. So unterschiedlich die vier charakterlich auch sind, halten sie doch fest zusammen, unterstützen sich gegenseitig, teilen ihre Erlebnisse wie Theaterbesuch und Sonntagsschule, Glück und erste Liebe, aber auch Sorgen und Verluste und werden so zusammen erwachsen.

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Little Women

Mit der emanzipatorischen Geschichte der vier ungleichen Schwestern gelang Louisa May Alcott ein Welterfolg, der viele Autorinnen nach ihr inspiriert hat und noch heute als zeitloser Klassiker der amerikanischen Literatur gilt.


Girls von Kirsty Capes (btb Verlag; übersetzt von Judith Schwaab) ist ein moderner, bittersüßer Roman über zwei ungleiche Schwestern und ihre berühmte Mutter: Berühmt geworden ist die Künstlerin Ingrid Olsson mit ihrem Selbstportrait „Girls“, das sie mit ihren beiden Töchtern Nora und Matilda zeigt.
Zwei Jahre nach ihrem Tod plant das MOMA in San Francisco eine große Retrospektive und auch ein Biograf möchte das Leben der gefeierten Künstlerin in Buchform herausbringen. All dem hätte Ingrid Olsson nie zugestimmt, wollte sie doch, dass ihre Bilder ins Meer geworfen und ihre zu Asche gewordenen Überreste verstreut werden. Was in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist: die Töchter haben zeitlebens unter dem ausschweifenden, exaltierten und chaotischen Leben ihrer Mutter gelitten und sich sehr konträr entwickelt. Um den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen, müssen sich die beiden zusammenraufen und zu einer gemeinsamen Reise an die Westküste der USA aufbrechen …

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Buchtitel Girls

Knallbunt und sehr raffiniert entwirft Kirsty Capes ein fesselndes, komplexes Familienportrait über Mütter, Töchter und Schwestern und beleuchtet die Auswirkungen der Kindheit auf das weitere Leben. Auch Themen wie Suizid und Drogenmissbrauch, Schuld und Eigenverantwortung, Beziehungsunfähigkeit und Vernachlässigung stehen im Mittelpunkt und trotzdem gelingt der Spagat zwischen Humor und Melancholie bravourös. Ein Leseerlebnis, das sich vor dem inneren Auge wie ein Film abspielt!


Vor drei Jahren hat mich bereits Bettina Flitners „Meine Schwester“ beeindruckt und nun ist gerade ihr Buch Meine Mutter (Kiepenheuer & Witsch Verlag) erschienen, deren Geschichte die Autorin bis nach Polen und zu einer Familienkatastrophe vor über 100 Jahren führt.
Nach einer Lesung in Celle, wo Bettina Flitners Mutter Gila begraben liegt, sieht sich die Autorin plötzlich und unerwartet mit Fragen nach der Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert. Sie hatte ein eher distanziertes Verhältnis zu ihrer Mutter, trotzdem möchte sie mehr über Gila erfahren und den Gründen ihres Suizids vor fast 40 Jahren auf die Spur kommen. Dafür reist sie ins ehemalige Niederschlesien, wo ihr Urgroßvater ein Sanatorium für die wohlsituierte Gesellschaft aufgebaut hat. Nach Jahren des Wohlstands muss die Familie während des 2. Weltkriegs nach Niedersachsen fliehen und dort ein sehr bescheidenes Leben führen – die kleine Prinzessin Gila wird aus ihrem behüteten Schloss vertrieben. Auch ihre Hoffnung, in Ehe und Familie ein glückliches Leben zu finden, erfüllt sich nicht und ihre depressiven Schübe nehmen immer mehr zu …

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Meine Mutter

Anhand von Tagebüchern und Dokumenten vervollständigt die Autorin die Lücken im Leben ihrer Mutter und so entsteht ein verständnisvolles Gesamtbild, dem die Kraft der Erinnerung zur inneren Aussöhnung verhilft. Eine sehr persönliche Geschichte, die zum Nachdenken anregt!


Die Schweizer Autorin Elisa Shua Dusapin erzählt in Damals waren wir unzertrennlich (Kein & Aber Verlag; übersetzt von Andreas Jandl) von zwei Schwestern, die 15 Jahre kaum Kontakt hatten. Agathe lebt als Drehbuchautorin in New York, als sich eines Tages ihre jüngere Schwester Vera nach dem Tod des Vaters bei ihr meldet: die beiden müssen zusammen ihr Elternhaus im Perigord ausräumen, um es verkaufen zu können. Daraufhin reist Agathe nach Frankreich und in den folgenden neun Tagen müssen sich die beiden aussprechen, unterschiedliche Erinnerungen zusammenbringen, sich wieder annähern und sich bestenfalls versöhnen. Was ist von ihrer einst so engen Bindung noch übrig? Und warum ist Agathe damals von zuhause weggegangen? Schicht für Schicht wird das Portrait einer Familie freigelegt und bei jedem Schritt nach vorne, geht auch einer zurück. Es ist ein Ringen um gemeinsame Erinnerungen und um die Wahrheit …

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Buchtitel Damals waren wir unzertrennlich

Zart und leise erzählt Elisa Shua Dusapin über die Zerbrechlichkeit verwandtschaftlicher Beziehungen, über Annäherung und Abgrenzung und über die Dynamik eines schwesterlichen Miteinanders, das im ehrlichen Austausch auch wieder neue Chancen offeriert. Ein kleines Buch mit großer Wirkung!


Wir freuen uns sehr, dass wir drei Exemplare „Damals waren wir unzertrennlich“ von Elisa Shua Dusapin auf Instagram verlosen dürfen – ein herzliches Dankeschön an den Kein & Aber Verlag


Wer mal wieder einen fesselnden Thriller mit unerwarteten Wendungen lesen möchte, dem kann ich Love, Mom von Iliana Xander (Heyne Verlag; übersetzt von Karlheinz Dürr, Carmen Ruderer und Heike Schlatterer) sehr empfehlen.
Im Mittelpunkt steht die Studentin Mackenzie, die immer im Schatten ihrer berühmten Mutter, der Krimiautorin Elizabeth Casper, gestanden hat und die nach deren tragischem Tod Zweifel an einem Unfall hat. Kurz nach der Trauerfeier findet Mackenzie im Auto einen geheimnisvollen Brief mit Seiten aus dem Tagebuch ihrer Mutter: 

„Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Love. Mom“

Um welche Geheimnisse geht es? Und kannte sie ihre Mutter wirklich? Es bleibt nicht der einzige Brief – immer wieder erreichen sie kryptische Botschaften mit überraschenden neuen Wendungen, aber wem kann die junge Frau trauen? Sie wird immer misstrauischer, selbst dem eigenen engen, familiären Umfeld gegenüber …

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Love, Mom

Einmal begonnen lässt sich das Buch kaum mehr aus der Hand legen: Man fiebert von Brief zu Brief, eigene Überlegungen werden immer wieder widerlegt und nichts ist wie es scheint. Iliana Xander ist mit ihren spannenden Perspektivwechseln und einer beklemmenden Gänsehaut-Atmosphäre ein packendes Thriller-Debut gelungen!


Um die Frage, ob wir unser ganzes Leben mit unseren Müttern verbunden bleiben, geht es in Yvonne Zitzmanns Roman Die geteilte Schuld (btb Verlag), der in den 1970ern in der DDR seinen Anfang nimmt: Tina arbeitet als Kranführerin in Frankfurt/Oder, liebt ihren Mann Mischa und ihr gemeinsames Baby und wünscht sich ein Heim für ihre kleine Familie in den neuen Wohnblöcken. Aber Mischa ist ein ruheloser Musiker, der 1986 nach einem Konzert nicht mehr aus dem Westen zurückkehrt. Tina ist verzweifelt und als dann die Mauer fällt, beschließt sie, ihren geliebten Mann zu suchen – und lässt ihre Tochter allein in der Wohnung zurück. Jahrzehnte später steht die Schriftstellerin Katja im wiedervereinigten Deutschland vor einer ähnlichen Konfliktsituation: Von ihrer Leidenschaft als Autorin kann sie nicht leben und als sie ungewollt schwanger wird und der Kindsvater nicht zu ihr steht, muss sie eine schwere Entscheidung treffen …

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Geteilte Schuld

Meisterhaft verwebt Yvonne Zitzmann zwei Frauenschicksale vor dem deutsch-deutschen Hintergrund und stellt existenzielle Fragen zu Mutterschaft, Verantwortung, Zugehörigkeit, Schuld und Versöhnung – eindringlich und sehr poetisch erzählt!


Claire Lynchs sprachgewandt erzähltes Romandebut Familiensache (Penguin Verlag; übersetzt von Bernhard Robben), das in den 1980er-Jahren in England angesiedelt ist, hat mich tief berührt: Dawn hat eigentlich alles, was Frau sich wünschen kann – ein Haus, ihren Ehemann Heron, ihr süßes Baby namens Maggie. Und doch fühlt sie eine Leere in sich, die sie selbst nicht versteht. Erst als sie Hazel kennen und lieben lernt, fühlt sie sich komplett und verstanden. Doch die Moralvorstellungen und Vorurteile der damaligen Zeit machen es ihr schwer und das Ganze endet in einem üblen Gerichtsprozess. Jahrzehnte später sind Mutter und Tochter nur noch als ferne Erinnerung miteinander verbunden – doch nach einer Krebsdiagnose kommt nach und nach die ganze traurige Wahrheit ans Licht über einen Vater, dessen aufopferungsvolle Rolle mehr Schein als Sein war …

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Familiensache

„Familiensache“ ist ein Roman, der unter die Haut geht, weil er ohne erhobenen Zeigefinger und Schuldzuweisungen von Diskriminierung, Ausgrenzung, Lebenslügen und gesellschaftlichen Normen erzählt. Claire Lynch verbindet einfühlsam die beiden Erzählebenen zu einem großen Ganzen, entwirft differenziert die unterschiedlichen Charaktere und zeichnet feinfühlig das Psychogramm einer Familie – eine Geschichte, die im Herzen bleibt!


Tochter, Mutter, Schwester – jede Frau hat eine oder mehrere dieser Rollen in sich, trägt dafür Verantwortung und spürt dabei weibliche Verbundenheit. Unabhängig von Alter, Herkunft und Lebenssituation gibt es gemeinsame Erfahrungen, die uns durchs Leben begleiten.
Literatur kann dabei helfen, andere Lebensentwürfe besser zu verstehen, Geschichten sichtbar zu machen und schafft Verständnis und Gemeinschaft.

Ich wünsche euch einen kuscheligen Herbst mit Kerzenschein und bereichernden Geschichten!

Wir lesen uns
Eure Buchstaplerin


Zum Schluss möchten wir euch noch ein Buch ans Herz legen. Vielleicht ist das eine wertvolle Geschenkanregung für eure Mütter, Schwestern oder Töchter oder ihr beschenkt euch damit selbst. 

Sabine und ich haben zusammen mit Anja Ellers ein persönliches Workbook erstellt: Dein 2026 ohne Ausreden - More Amore! FÜR MICH (hier im Shop erhältlich). Wir haben uns dabei von den Rauhnächten inspirieren lassen, und es hilft dir, dich für das kommende Jahr zu fokussieren, Pläne umzusetzen, Räume für Veränderungen zu öffnen und dir kleine Auszeiten mit dir selbst zu schenken.

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Rauhnächtebuch mit Stiften

Wir kennen das alle? Es gibt tausend Dinge, die man sich immer wieder vornimmt, ständig verschiebt, und die dann völlig von der Bildfläche verschwinden. 
Das Workbook möchte dir in deinen Vorhaben hilfreich zur Seite stehen und dich in den unterschiedlichsten Bereichen unterstützen. 
Gerade jetzt, im grauen, dunklen und trüben November hat man oft schon mal den Drang, nach innen zu schauen, einen Rückblick zu wagen und sich zu fragen: „Wo will ich eigentlich hin?“ Und schon lichtet sich der Nebel wieder etwas.
Im November fällt es mir leichter, nach innen zu schauen. Vielleicht liegt es an den Kerzen, vielleicht am Regen, der ans Fenster klopft. Oder daran, dass mein Körper sich danach sehnt, mal runterzufahren.


Eine Übung, die perfekt in diese Zeit passt, ist das Dankbarkeits-ABC. Schreib dir das Alphabet untereinander auf und finde zu jedem Buchstaben etwas, wofür du in diesem Jahr dankbar bist. Das können kleine Dinge sein.
z. B.
A wie Abendruhe
B wie Bücherzeit
C Couchmomente
Es muss nicht perfekt oder vollständig sein – schon ein halbes ABC kann reichen. Und wenn du jetzt Lust auf noch mehr solcher Impulse hast: In unserem Workbook warten 50 Fragen und kleine Aufgaben auf dich – nicht als Pflichtprogramm, sondern als Begleiter, wenn dir nach Klarheit und leisen Denkanstößen ist.


 Und … wir haben das Buch gestaltet und mit wunderschönen Illustrationen unterlegt (denn ja, wir sind alle Drei Art-Direktorinnen ;-) und so macht die Umsetzung der Aufgaben gleich noch mehr Freude.
 

Übrigens: Dein Workbook ist keinesfalls nur auf die Rauhnächte beschränkt. Man kann das Buch mit seinen Notizen jederzeit zur Hand nehmen, denn du allein bestimmst das Tempo und den passenden Zeitpunkt. Die Rauhnächte zwischen Weihnachten und Dreikönig sind ein schöner Aufhänger, aber natürlich kannst du die Themen dieser Zeit auf das ganze Jahr verteilen unter dem Motto „More Amore für mich“!

 

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