03•11•2022 ••

Jassas - Auswandern nach Griechenland #4


Nun ist es fast schon soweit: Nach sieben Monaten steht unsere Rückreise an.


In wenigen Tagen geht die Fähre nach Hause und wir verlassen diesen wunderbaren Ort – mit zwei lachenden und einem weinenden Auge. Das geht rechnerisch gar nicht? Stimmt, bei uns in Deutschland geht das nicht – aber hier in Griechenland ist vieles einfach anders. Ein weinendes Auge haben wir, weil wir inzwischen genau wissen, was wir hier zurücklassen werden: z. B. das Meer, das Licht, die Weite. Tag für Tag, oft sogar Stunde für Stunde bietet sich von unserer Terrasse aus ein wechselndes Naturschauspiel. Wir staunen immer wieder, immer noch, mein Handy ist voll von den Aufnahmen davon, weil wir uns nicht daran sattsehen können. Ein lachendes Auge haben wir, weil unsere Zeit hier so ungemein intensiv und außergewöhnlich bereichernd gewesen ist.


Nicht alles war easy, doch in der Rückschau bleibt tief empfundene Dankbarkeit.


Das zweite lachende Auge blickt naturgemäß schon über den Tellerrand nach Hause; nach sieben Monaten in meiner Herzensheimat Griechenland freue ich mich inzwischen sehr auf meine bayerische Ur-Heimat, meine Familie, meine Freunde. 

Vieles haben wir hier gelernt, über das Land, die Leute, aber am meisten über uns selbst. Wir konnten uns sehr gut akklimatisieren, auch wenn ich manches durchaus auch anstrengend fand, zum Beispiel, dass es viel weniger Intimsphäre gibt. Das liegt natürlich daran, dass sich das Leben im Sommer einfach ständig draußen abspielt. Dennoch: Dass immer wieder – zum Teil fremde – Dorfbewohner bei uns auf der Terrasse stehen, mit kleinen Willkommensgaben wie Zucchini, Kartoffeln, Tomaten bewaffnet, ganz einfach, weil sie sehen wollen, wie wir hier so leben; oder dass wir beim abendlichen Hundespaziergang mit sanftem Nachdruck zu einer Mini-Parea in die verschiedenen Häuser eingeladen werden, nur für ein Stündchen meist, dafür aber ständig:


Dazu muss man in der Stimmung sein – oder zumindest so tun.


Rückzug ist nur schwer möglich, vor allem, weil sich im Dorf so wenig tut, dass Thomas und ich zu einer echten Attraktion geworden sind, um deren Bekanntschaft man fast schon wetteifert.


Hatte ich zuhause noch Bedenken, im abgelegenen Bergdorf zu vereinsamen, freue ich mich jetzt stattdessen auf eine feste Tür zuhause und ein Gefühl des stundenlangen Unbeobachtet-Seins: Wunderbar! 


Eines meiner persönlichen Ziele habe ich aber tatsächlich erreicht und meine deutsche Perfektion ein gutes Stück weit abgelegt. Manchmal staune ich jetzt über mich selbst, wie relaxt ich inzwischen bin. Das betrifft meinen Ordnungssinn ebenso wie mein Aussehen oder meine Kleidung. Vor unserer Abreise hatte ich mir extra noch ein paar coole neue Stücke gekauft. Doch inzwischen betrachte ich sie eher distanziert und denke mir: „Echt jetzt?“ Alles ist chic und schmeichelnd, aber dennoch „drüber“, viel zu gestylt.


Weniger ist nun mehr, und so geht’s auch.


Auswandern nach Griechenland – welche Erfahrungen habe ich sonst noch gemacht?

Eine völlig unerwartete: Am Anfang dachte ich, unsere Zeit hier käme einem monatelangen Urlaubsgefühl gleich. Weit gefehlt! Das klassische, glückselige Urlaubsgefühl stellt sich praktisch gar nicht ein, vielleicht weil wir hier richtig „leben“ mit allem, was dazu gehört: Einkaufen, Kochen, Waschen, Putzen. Manchmal ist das aufwendiger als daheim, denn der Supermarkt ist nicht gleich um die Ecke – auch wenn das Gemüse praktischerweise selbstgezogen aus dem Garten kommt. Nach vier Wochen gab es schon die erste Ernte: was für ein Wunder, wie schnell alles wächst!

Dass „hier leben“ und „hier Urlaub machen“ zwei verschiedene Dinge sind, merken wir vor allem dann, wenn Besucher von zuhause kommen. Bei ihnen allen erleben wir hautnah mit, wie dieser Ort in kürzester Zeit seine magischen Kräfte entfaltet; wir sehen das Aufblühen und den neu erwachten Lebensspaß: Ein Akt, der sich ja wie von Zauberhand in jedem gelungenen Urlaub aufs Neue vollzieht. Es ist das kurze Hineinschnuppern in fremde Lebenswelten, man kann und will mit allen Sinnen tanken. 

 


Doch für uns ist es anders.


Wir wohnen hier, haben scheinbar alle Zeit der Welt und sind mit dem Aufbau eines funktionierenden Alltags gut beschäftigt. Statt freudetrunkener Urlaubs-Akteur zu sein, finden wir uns jetzt leicht verwundert in einem ruhigeren Beobachter-Fach wieder. Natürlich nehmen wir von all unseren Besuchern einen Teil deren Hochgefühle für uns selber mit. Deshalb möchte ich an dieser Stelle kurz allen „Danke“ sagen – an Leo, Doris, Sabine, Roland & Gabi – ihr habt uns mit Quality-time beschenkt, das Lachen und die gemeinsamen Gespräche waren eine echte Bereicherung für uns.

Das gilt natürlich auch und ganz besonders für: die Tiere ...! „Unsere“ Hunde müssen wir leider hier zurücklassen – das schmerzt, sehr sogar. Wir wussten das zwar von Anfang an, haben aber trotzdem einen Vorstoß beim Besitzer gewagt, ob wir vielleicht … Doch er meinte nur: „Lisa – not car – Germania. And Bubu – not car – Germania.“


Seufz!


Und nochmal: Seufz!!! Gewisse Dinge gilt es zu akzeptieren. Wir hatten eine super Zeit zusammen. Schließlich: Wenn alles klappt, kommen wir im nächsten Jahr ja wieder. 

Stattdessen fahren nun die vier kleinen Kater mit uns heim. Niemand hat sich bereitgefunden, sie pflegerisch zu übernehmen. Nach Monaten des Aufpäppelns bringe ich es einfach nicht übers Herz, sie einem ungewissen Schicksal zu überlassen. Streunende Katzen gibt es sowieso zu viele hier; und im Sommer, wenn die Taverne geöffnet ist, haben die toughsten auch gute Überlebenschancen. Aber jetzt im Herbst – und dann im Winter? Meine kleinen Zöglinge, die mir alle morgens zur Futterzeit schon schnurrend um die Beine streichen?

Also sind nun alle geimpft und gechippt, und jeder Kater hat quasi seinen eigenen Reisepass. Die ca. 30-stündige Heimfahrt via Fähre, Italien und Österreich wird für alle ein Abenteuer, vor dem ich durchaus etwas Bange habe. Natürlich weiß ich noch nicht, wie es uns und ihnen zuhause ergehen wird – und ob wir die Kater behalten. Unser guter Geist zuhause, unsere Nachbarin und Freundin Martina, hat uns jedenfalls versprochen, uns bei einer Weitervermittlung zu helfen. Aber das Thema gehe ich am besten nach dem griechischen Motto an:


„Nicht zu viel planen, sondern in Ruhe sehen.“


 

Und natürlich ist das sowieso eine völlig neue Geschichte, die man dann an anderer Stelle erzählt.  Danke fürs Mitlesen! 

Kommentare

Sabine
09•11•2022
wieder wundervoll geschrieben, toll zu lesen und ruft soooooo schöne Erinnerungen wieder hervor; es war eine super Zeit mit euch in Lefkda, vielen Dank :-)
FTF, Sabine Fuchs
11•11•2022
Ja, wie schade auch für uns, dass diese Zeit schon wieder vorbei ist und damit die Kolumne erst einmal endet.

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