02•10•2025

Menomorphosen – ein Gespräch mit Jule Ronstedt über ihr Buchdebüt

Jule Ronstedt ist Schauspielerin, Regisseurin – und nun auch Autorin. In ihrem ersten Buch Menomorphosen erzählt sie in 26 Geschichten von Frauen, die mitten im Leben stehen, an Wendepunkten, die oft schmerzhaft, manchmal aber auch befreiend sind. Ein Gespräch über leere Nester, Werwölfinnen, Tabuthemen – und die Kraft der Gemeinschaft.


Wir haben Jule Ronstedt in München im Garten des Alpinen Museums auf der Praterinsel getroffen und sie zu ihrem Debüt als Buchautorin interviewt. An diesen idyllischen Ort hat sie sich auch ab und an zum Schreiben zurückgezogen.

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Jule Ronstedt

FTF: Jule, stell dir vor, du sitzt mit einer Freundin beim Kaffee. Wie würdest du ihr Menomorphosen in einem Satz erklären?
Jule Ronstedt: (lacht) Schwierig, das in einen Satz zu pressen! Aber ich würde sagen: Es sind Geschichten von 26 Frauen in der Mitte ihres Lebens, die alle an einem Wendepunkt stehen. Unterschiedliche Stimmen, unterschiedliche Themen – und doch ein gemeinsamer Erfahrungshorizont.


FTF: Was hat dich dazu bewegt, genau darüber zu schreiben?
Jule: Na ja, ich bin ja selbst mittendrin. Irgendwann Ende 40, Anfang 50, merkte ich: Mein Leben verändert sich massiv. Ich habe mich getrennt, meine Tochter zog aus – und plötzlich war dieses ganze turbulente Familienleben vorbei. Dazu kamen körperliche Veränderungen. Ich hatte Phasen, in denen ich nur noch geweint habe und mich selbst kaum wiedererkannte. Gleichzeitig sah ich bei Freundinnen: Scheidungen, berufliche Krisen, Krebsdiagnosen. Es war, als würden wir alle gleichzeitig in ein neues Kapitel gestoßen. Und weil ich schon immer Tagebuch geschrieben habe, fing ich an, das alles aufzuschreiben.
 

FTF: Also eher aus persönlichem Erleben heraus?
Jule: Ja, absolut. Aber schnell wurde mir klar: Es geht nicht nur um mich. Es ist ein ganzer Blumenstrauß an Themen, die Frauen in dieser Lebensphase betreffen. Es gibt einen gesellschaftlichen Zusammenhang. Also habe ich angefangen, Geschichten zu sammeln, Gespräche zu führen, zuzuhören. Und irgendwann entstand die Idee: Jede Frau bekommt ein Thema, jede eine Stimme. Von A bis Z, von Annabelle bis Zoe.


FTF: Stimmt es, dass du am Anfang sogar an eine Serie gedacht hast?
Jule: (lacht) Ja! Meine erste Idee war tatsächlich ein Genrefilm: eine Frau, die durch ihre Hitzewallungen zur Werwölfin wird und nachts loszieht. Wiebke, die Werwölfin, war die erste Figur. Ich fand das wahnsinnig lustig. Wer weiß, vielleicht wird daraus irgendwann noch ein Film! Aber dann dachte ich: Nein, erst mal Kurzgeschichten. So hat sich eins zum anderen ergeben.
 

FTF: Deine Geschichten wirken oft sehr nah – fast wie miterlebt. Basiert das auf echten Vorbildern?
Jule: Zum Teil. Von den 26 Geschichten haben vielleicht acht eine Patin, also eine reale Frau im Hintergrund. Aber ich habe immer fiktionalisiert, verändert, neu gemischt. Ich möchte ja niemanden bloßstellen. Gleichzeitig habe ich viel recherchiert: Interviews geführt, Blogs gelesen, mit Ärztinnen gesprochen. Meine Gynäkologin zum Beispiel brachte mich auf das Thema Scheidentrockenheit – ihr Satz „Use it or lose it“ ist direkt ins Buch gewandert.


„Wir sind ein Rudel.“


FTF: Wie war dein Schreibprozess? Hattest du feste Rituale?
Jule: Disziplin war wichtig. Ich habe mich wirklich eingeschlossen und oft sechs, manchmal acht Stunden am Tag geschrieben. Manchmal sprudelte es, manchmal saß ich da und dachte: „Wie soll ich das bloß schaffen?“ Aber so ist kreatives Arbeiten. Und irgendwann habe ich angefangen, Freundinnen vorzulesen. Ich bin halt Theatermensch – ich muss hören, wie ein Text klingt, ob er lebendig ist oder langweilig.

FTF: Gab es eine Geschichte, die dir besonders am Herzen lag?
Jule: Ach, das wechselt. Mal mag ich eine Figur besonders, dann wieder eine andere. Geschichten wie „Annabelle“, die unsichtbar wird und dies als neue Superkraft entdeckt, haben mir Spaß gemacht, weil sie Humor ins Schmerzhafte bringen. Aber genauso wichtig sind mir die ernsten Töne – etwa, wenn eine Figur eine Krankheit durchlebt und gleichzeitig eine neue Freiheit entdeckt. Mir war wichtig, dabei positiv zu bleiben.

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Menomorphosen

FTF: Dein Titel ist großartig – Menomorphosen. Wie bist du darauf gekommen?
Jule: Der kam während des Filmfests in München vor zwei Jahren. Ich hatte Freundinnen zu Gast, wir redeten über meine Werwölfinnen-Idee, und am nächsten Morgen wachte ich auf und dachte: „Der Film heißt Menomorphose!“ Alle waren begeistert. Ich habe den Titel sofort schützen lassen. Inzwischen habe ich erfahren, es gibt auch zwei Damen in Hamburg, die unter diesem Namen einen Podcast machen. Da bin ich bald zu Gast!


Und übrigens: Männer sollten das Buch auch lesen!


FTF: Was sollen die Leserinnen mitnehmen?
Jule: Vor allem: das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich liebe es, wenn ich etwas lese und denke: „Ach, so geht es mir auch!“ Genau das wünsche ich mir für andere Frauen. Es kann trösten, inspirieren, manchmal auch Abstand verschaffen. Und übrigens: Männer sollten das Buch auch lesen. Bei den Hörbuchaufnahmen (mit Anna Schudt, Julia Koschitz, Sophie von Kessel und mir) sagten die beiden Tontechniker am Ende, sie verstünden jetzt ihre Frauen viel besser.
 

FTF: Hast du selbst während des Schreibens eine Veränderung gespürt?
Jule: Ja. Meine Empathie ist noch einmal gewachsen. Ich fühle mich Frauen in meinem Alter unglaublich verbunden. Selbst kleine Alltagsbegegnungen sind anders. Wenn die Kassiererin schlecht gelaunt ist, denke ich: Vielleicht steckt sie auch mitten drin. Und ich ärgere mich ein bisschen, dass wir als Jüngere nie über diese Phase gesprochen haben. Unsere Mütter schon gar nicht – für die war das kein Thema. Wir sind die erste Generation, die das offen verhandelt.
 

FTF: Dein Buch erscheint jetzt. Worauf freust du dich am meisten?
Jule: Auf die Lesungen! Das Buch ist seit dem 25. September in den Buchhandlungen. Am 12. Oktober lese ich in Landshut, am 2. Dezember auf der Münchner Bücherschau (alle Termine siehe Infokasten unten). Ich möchte auch kleinere Buchhandlungen besuchen – weil ich einfach gern vorlese und direkt mit Menschen ins Gespräch komme. Und es gibt ein besonderes Projekt: musikalische Lesungen mit Evelyn Huber, einer fantastischen Jazz-Harfenistin. Zusammen bringen wir Texte und Musik auf die Bühne – das kracht richtig!
 

FTF: Und wenn du einen Satz aus deinem Buch herausgreifen müsstest, der dir besonders wichtig ist?
Jule: Dann wäre es der letzte: „… du bist nicht allein, mein Herz.“ Das ist für mich die Essenz. 

Wir sind viele. Wir können uns gegenseitig Kraft geben. 

Wir sind ein Rudel.


Info:
Das Buch
Menomorphosen – 26 Geschichten von Frauen in der Mitte ihres Lebens. Von Annabelle bis Zoe, jede mit ihrem ganz eigenen Wendepunkt. Mal heiter, mal schmerzhaft, immer ehrlich.
 

Die Autorin
Jule Ronstedt, geboren 1971 in München, ist Schauspielerin, Regisseurin und nun erstmals auch Buchautorin. Bekannt wurde sie u. a. durch „Wer früher stirbt, ist länger tot“. Sie lebt in München.
 

Erscheinung
25. September 2025 im Eisele Verlag. Parallel erscheint auch das Hörbuch, gelesen von der Autorin selbst und ihren Schauspielkolleginnen Anna Schudt, Julia Koschitz und Sophie von Kessel. 
 

Lesungen
• 12. Oktober 2025: Landshut, Kleines Theater, 18:30 Uhr
• 05. November 2025: Donauwörth, Buchhaus Greno, 19:00 Uhr
• 02. Dezember 2025: Münchner Bücherschau, Haus der Kunst, 19:00 Uhr 
• 27. Januar 2026: Buchhandlung Buch & Bohne, 19:30 Uhr

Special
Musikalische Lesungen mit Jazz-Harfenistin Evelyn Huber – Text trifft Klang, Literatur trifft Improvisation.

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Menomorphosen




 

Jule mit Buch

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