21•04•2021 ••

Selbstoptimierung? Ohne mich!

Geht es euch auch wie mir? Seit Beginn der Pandemie habe ich tagtäglich Vorschläge zu Sport-Challenges, Motivationstrainings und Online-Fortbildungen in meinem Postfach. Ich verstehe die Idee dahinter, die Krise gemeinsam zu meistern, sich zu motivieren, indem wir unsere Aktivitäten mit allen anderen teilen. Aber manchmal finde ich es auch einfach nur nervig.

Das öffentliche Leben liegt still, aber in unseren eigenen vier Wänden treiben wir uns selbst zu Höchstleistungen an. Aber warum nehmen wir lieber Stress und Aktionismus auf uns, anstatt einfach mal nichts zu tun? Weil wir einfach vom Strom mitgerissen werden, unser Tempo so hoch ist und weil wir schlicht und ergreifend Angst davor haben, unterzugehen und nicht genug zu sein. Dabei ist doch erwiesen, dass gerade das Nichtstun unsere Kreativität fördert, weil es Raum für Inspirationen schafft.

Und weil wir einfach glauben, dass Selbstoptimierung uns auf Dauer unzufrieden und sogar krank machen kann, gibt es, genau dazu passend, ein Kapitel aus unserem Buch „Fuck the Falten – wild bleiben statt alt werden" für euch. Nämlich ...

Gut genug = gut genug

Ich war selbstständig mit einer eigenen Werbeagentur, als mein Sohn zur Welt kam. Selbstredend kam er an einem Feiertag – er hatte es wahrscheinlich schon in meinem Bauch überrissen, dass dies ein guter oder zumindest ruhiger und damit optimaler Zeitpunkt wäre, seine arbeitswütige Mutter nach den gut neun Monaten im Bauch endlich mal aus anderer Perspektive kennenzulernen. 


Bis einen Tag vor der Geburt habe ich gearbeitet und alles so organisiert, dass ich mir nun ein paar Tage Auszeit nehmen könnte. 


Ich war überzeugt von dem Gedanken, als gut organisierte zukünftige Mutter wunderbar beides wuppen zu können – Job und Kind. Es sei doch, so mein Credo, nur eine Frage der Organisation, alles gut unter einen Hut zu bekommen. Bis heute bin ich mir sicher, dass mein Sohn diese Gedankengänge schon sehr früh verinnerlicht hat. Schon in mir drin. Pränatale Anpassung sozusagen. Denn er war ein Bilderbuchvorzeigekind. So schlief er praktisch von Anfang an durch und war auch tagsüber ein unkomplizierter Engel. Strahlte mich an, sobald er mich erblickte, hatte nur ganz selten Bauch- und Schreikrämpfe, und war später während seiner Schulzeit so gut wie nie krank. Und weil alles so »einfach« war, konnte ich praktisch nahtlos weiterarbeiten. 

Natürlich mit ein paar klitzekleinen Veränderungen.

Also habe ich versucht, mein ohnehin schon durchorganisiertes Leben noch um ein paar Umdrehungen mehr zu optimieren. Irgendwie musste das doch zu schaffen sein.


Ich war schließlich nicht die einzige frischgebackene Mutter, die nebenbei eine Karriere am Laufen hatte. 


So entwarf ich eng und fest getaktete Tagesabläufe, die ich möglichst akribisch einzuhalten versuchte: Morgens früh aufstehen, mich um das Kind und das Frühstück kümmern, schnell eine Waschmaschine anstellen und eine halbe Stunde joggen (während der Vater aufpasste) – ich wollte schließlich so bleiben wie ich bin – damit ich um 9 Uhr pünktlich am Schreibtisch sitzen konnte. Mails beantworten, Telefonate führen, Kundenmeetings – die Frisur saß. Immer mit dem Blick auf die Uhr und getrieben vom Gedanken, jede freie Minute und jede Pause mit meinem Sohn verbringen zu wollen. Mittagessen fiel meist aus. War eh besser für die Linie, denn auch die bettelte nach der Schwangerschaft ja drängend um Optimierung. Ich wollte schließlich so bleiben wie ich bin – ich erwähnte es bereits. Anschließend zurück an den Schreibtisch, am Nachmittag noch mal das gleiche Programm und dann noch die Kampagnen-Präsentation für den besten Kunden fertigmachen. 

Klar: Nichts war unmöglich! Na gut, wenn es am Nachmittag doch nicht mehr klappen sollte, hätte ich während der nächtlichen Stillpausen noch genug Zeit, um etwas aufs Papier zu bringen. Unter Druck habe ich sowieso schon immer am besten und effektivsten gearbeitet. Wecke den Tiger in dir. So what! Aber vorher noch schnell auf dem Nachhauseweg den Wocheneinkauf erledigen und etwas fürs Abendessen organisieren. Daheim warten ja schon alle ... 


Wichtig dabei: Immer lächeln, gut aussehen und vor allem gut gelaunt sein. Ich wollte, dass es allen gut geht. 


Nur einfach gut war mir in all der Zeit nicht gut genug. Und deshalb lief ich permanent auf Höchstgeschwindigkeit, gönnte mir keine, oder nur kleine, Pausen und hatte ständig das Gefühl, dranbleiben zu müssen. Ich musste es schaffen. Just do it! Manchmal war es wie in einem Rausch. Je mehr ich um die Ohren hatte, umso besser ging es mir.


Allen wollte ich es beweisen: meiner Familie, meinen Freunden, den Männern und vor allem mir selbst. 


Dafür habe ich einen Preis gezahlt, und der war hoch. Denn auch nachts kam ich schon bald nicht mehr runter, wachte schweißgebadet auf und schlief nicht mehr ein. Das Kopfkino spielt Actionfilme in Dauerschleife. Aber was soll’s, das Leben musste trotzdem weitergehen, jede hatte doch mal solche Phasen, oder?

 

Wollt ihr wissen, wie es weiterging? Ob und auch wie ich die Kurve bekommen habe? Dann lest in unserem Buch auf Seite 101 weiter ... ;-)

 

Soviel sei schon mal gesagt:


Zu viel Selbstoptimierung schadet uns und unserer Gesundheit,

denn wir verlieren dadurch den Blick auf das Wesentliche und auf unsere persönlichen Stärken. Um den Herausforderungen des Alltags zu begegnen, brauchen wir genau diese Selbstoptimierung nicht.


Unser Buch „Fuck the Falten – wild bleiben statt alt werden“ bekommt ihr im stationären Buchhandel oder ihr könnt es gerne bei uns unter info@fuckthefalten.de mit Signatur und einer persönlichen Widmung für euch oder eure Freundinnen bestellen.

Erschienen ist es bei Gräfe und Unzer für € 16,99.


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Kommentare

Marion
23•04•2021
Hallo liebe Uli, das war jetzt gespiegelt 1:1 ich. Wir sind doch komplett verrückt. Ich hab 3 Tage vor der Geburt noch ein riesiges Fotoshooting für meinen Kunden organisiert und durchgeführt. Das fand bei meiner Frauenärztin in der Praxis statt für den Fall der Fälle. Jetzt, erst durch Corona bin ich runtergekommen. Und meine Tochter hat zum Glück auch gleich die ganze Nacht durchgeschlafen. Mit vier Jahren hat sie sich erstmals am Telefon mit einer Freundin verabredet und tatsächlich zu ihr gesagt: warte, ich schaue schnell in meinen Terminkalender. ... Lieben Gruß Marion
FTF, Uli Heppel
23•04•2021
Liebe Marion, das ist wirklich verrückt. Ich denke daraus können wir nur lernen und zumindest versuchen, unseren Kids etwas anderes mit auf den Weg zu geben. Sei gedrückt ♡ Uli
Gudrun
23•04•2021
Oh, das kenne ich. Es allen recht machen zu wollen. Arbeiten, Haushalt, Kinder, Haus und Garten. Es war nicht so, dass da kein Mann mit im Spiel war. Der hat auch viel gemacht. Aber hallo, ich schaffe das. Alle haben mich immer als die starke Frau gesehen. Und irgendwann ging nix mehr. Das Wort Burnout tauchte da für mich erstmals auf. Das ist jetzt gut 30 Jahre her. Es war ein langer Weg, bis ich da war, wo ich heute bin. Liebe Grüße Gudrun
FTF, Uli Heppel
24•04•2021
Liebe Gudrun, ich glaube diesen schmerzhaften Prozess haben ganz viele Frauen unserer Generation mitgemacht. Ich sehe es immer ein bisschen wie ein Zwischenstation zwischen der Generation unserer Mütter und der Generation nach uns, die sicher schon auf einem ganz anderen Trichter ist. Aber der "lange Weg" hat dich sicher auch sehr geprägt und dich auch dahin gebracht, wo du heute eben bist. Tolle reflektierte selbstbewusste Frauen eben. ♡ Uli
Imke Reineke
24•04•2021
Liebe Uli, du hast es so wunderbar beschrieben!! Genauso läuft es bei vielen Frauen, auch ich kenne das nur zu gut! Wir wollen einfach alles und vor allem stellen wir oftmals die Anderen in den Mittelpunkt und vergessen dabei uns! Bei mir hat sich auch vieles verändert, aber ich könnte noch gelassener sein! Die Erziehung hat mich doch stark geprägt und es ist nicht immer einfach neue Wege zu gehen! Aber ich übe...:-):-) Herzliche Grüße Imke
FTF, Uli Heppel
24•04•2021
Liebe Imke, ich glaube dieser Prozess hört nie so richtig auf. Aber es ist doch schon mal ein ganz großer Schritt, dass wir das heute alles schon mal von einer anderen und kritischen Seite beleuchten können. Wir haben zumindest die Chance, unseren Kindern etwas davon mit auf den Weg zu geben. Ich finde das ist schon mal ein ganz großer Schritt in die richtige Richtung. Alles Liebe ♡ Uli
Adele
24•04•2021
Da ich mein 1. Kind mitten in der Ausbildung bekam, total gestresst und überfordert, habe ich mir 17 Jahre später für mein 2. Kind total Zeit gelassen. 12 Jahre Babypause ❤️ Hat sich wirklich gelohnt !
FTF, Uli Heppel
24•04•2021
Liebe Adele, mit dem Wissen von heute würde ich auch alles ganz anders machen, mit dem Kinderkriegen. Ich würde mir alle Zeit der Welt nehmen, denn diese Augenblicke sind unwiederbringlich und so schön. Das sieht man halt leider oft erst im Nachhinein. Also alles richtig gemacht mit Nummer 2 ;-) ♡ Uli

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