Über das Buchschreiben
Im Gegensatz zu den Männern, die nur drei Dinge im Leben erledigen müssen, nämlich einen Baum pflanzen, einen Helden zeugen und ein Buch schreiben, haben wir Frauen ja viel mehr auf unserer To-do-Liste. Also, ich habe zumindest schon mal einen Helden geboren (nicht gezeugt) und jetzt zusammen mit Sabine ein Buch geschrieben, bleibt noch der Baum und die 95 anderen Dinge, die wir Frauen so machen.
Nun ist unser Manuskript abgegeben, und seither fühle ich mich ein wenig wie in ein Loch gefallen. Hatte mich das Thema Buch – zwar mit einigen anderen Themen auch – dann doch in den letzten Monaten ziemlich beschäftigt.
Aber es gab wirklich auch Zeiten, in denen ich mich danach gesehnt habe, dass das Manuskript endlich vom Tisch ist und ich nicht jede freie Minute an der Tastatur hänge. Ich habe mich nach freien Wochenenden und freien Abenden gesehnt. Aber vor allem habe ich mich danach gesehnt, dass mein Kopf endlich mal wieder frei ist und ich nicht jeden Gedanken daran verschwende.
Buchschreiben ist ein Ausflug in die Vergangenheit.
Denn in dieser Zeit des Schreibens bin ich tatsächlich ein bisschen mit Scheuklappen durchs Leben gelaufen. Bei allem was passierte, dachte ich immer darüber nach, ob es ein Aufhänger für eine Geschichte ist oder ob ich so und so reagiere, weil dies oder jenes in meinem Leben passiert ist. Es war oder ist ein bisschen wie ein Ausflug mit der Bimmelbahn durch die Vergangenheit. Du fährst an Ereignissen in deinem Leben vorbei und nimmst alles noch einmal wahr, bleibst hier und da mal stehen und schaust dir etwas an und erinnerst dich.
Du fährst durch Täler und über Berge deines Lebens und beobachtest einfach noch mal aus der Ferne. Ein Ausflug, der viel in mir losgetreten hat, und der mich mein bisheriges Leben auch noch mal anders hat beleuchten lassen, und der aber auch eine tiefe Dankbarkeit in mir hat hochsteigen lassen. Dafür, was ich alles schon erleben durfte.
Und trotzdem, jetzt wo es weg ist, fehlt mir was.
Der Prozess des Buchschreibens war ein sehr intensiver. Viel intensiver, als ich mir das jemals im Vorfeld vorgestellt hatte. Denn eines wurde mir beim Schreiben schnell klar: Wenn du Geschichten über dich erzählst, dann musst du dich noch einmal sehr intensiv mit den Ereignissen befassen. Und dann beleuchtest du die Erlebnisse der Vergangenheit aber mit der heutigen Lebenserfahrung. Das war teilweise sehr spannend, gleichzeitig auch lehrreich und es hat sich nochmal viel Neues ergeben. Es war ein wunderbarer Spiegel, in dem ich noch einmal ganz viel über mich selbst gelernt und erfahren habe.
Viele der alten Geschichten, die ich irgendwo in meinem Gedächtnis abgelegt hatte, und von denen ich gar nicht mehr wusste, dass sie überhaupt noch in meinem Hirn existieren, haben mich noch mal sehr berührt. Einige haben mich nachdenklich gestimmt, andere traurig gemacht und wieder andere haben mich bestätigt und manchmal musste ich einfach auch nur laut lachen.
Es ist verrückt, wie viele Details ich noch abrufen konnte, obwohl ich schon jahrelang nicht mehr an die Ereignisse gedacht hatte. Es hat mich unglaublich überrascht, wie viele Bilder, Gefühle und Menschen in meinem Gehirn noch gespeichert sind.
Eines haben alle Geschichten gemeinsam, es sind meine Geschichten und es ist mein Leben. Natürlich habe ich bei einigen Geschichten mal etwas weggelassen oder bei anderen ein Detail dazugeschrieben – wie es hätte sein können – aber letztlich sind die Dinge so passiert und haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin.
Und natürlich hatte ich Zeiten des Zweifelns, wie sie wahrscheinlich jeder hat, der etwas geschrieben hat. Du beschäftigst dich einfach eine lange Zeit so intensiv mit dir und deinem Leben. Du liest immer wieder die gleichen Texte, korrigierst hier und da, stimmst dich mit deiner Mitautorin ab, diskutierst mit der Lektorin, schmeißt Themen wieder über den Haufen und hast Wochenenden, an denen du komplette Schreibblockaden hast.
Du feilst oft stundenlang an einem Satz und schreibst andere ganze Texte wiederum in der gleichen Zeit herunter. Es gibt keine Patentlösung dafür, dass es immer gleichmäßig gut läuft.
Und dann kommt der Zeitpunkt, wo du alles in Frage stellst ...
Wen interessiert schon, was ich da schreibe und wie es in meinem Leben so aussieht? Ich denke, auch das gehört zum Schreiben.
Aber auch das befriedigende Gefühl, wenn du eine Story fertig hast und es sich einfach gut anfühlt. In dem Moment weißt du, dass sie stimmig ist. Und du bist stolz. Stolz auf das, was du erlebt hast und stolz darauf, dass du es auch noch in Worte fassen konntest.
Die meisten meiner Geschichten sind ganz persönliche Erlebnisse. Aber in einigen sind natürlich auch Menschen aus meiner unmittelbaren Umgebung eingebunden. Denn die sind es ja auch, die mein Leben zum Teil lenken, bereichern oder beeinflussen. Und genau hier beginnt dann die Gradwanderung. Wie viel gebe ich von diesen Situationen preis? Wie viel darf ich über diese Menschen schreiben, wo fange ich an, mich zu sehr in ein anderes Leben einzumischen? Ich will sie ja nicht ohne ihr Wissen der Öffentlichkeit preisgeben. Andererseits sind sie schließlich ein Teil meines Lebens und sie sind mir alle mehr oder weniger ans Herz gewachsen. Denn selbst die, die nicht mehr unmittelbar in meinem Leben sind, waren mir mal nahe, und ich versuche ihnen Achtung und Respekt zu zollen.
Es gibt Geschichten, die ich ganz lange nach hinten geschoben habe, weil ich mir darüber im Unklaren war, wie ich sie schreibe oder woran ich sie aufhänge. Es sind sensible Themen, in denen eben oft andere Personen maßgeblich involviert sind. Seltsamerweise waren es aber dann genau diese, die mir besonders leicht von der Hand gingen und die sich für mich ganz stimmig gefügt haben. Andere wiederum, von denen ich dachte, die schreibe ich mal schnell so runter, haben sich zu wirklichen Problemfällen entwickelt und wollten und wollten sich nicht fügen.
Es gibt aber dann ein Abgabedatum, das einem wie ein Damoklesschwert im Nacken hängt. Das ist natürlich auch gut so, denn sonst feilt man sicher in 5 Jahren noch an einzelnen Sätzen oder Wortlauten herum. Andererseits setzt dich dieses Datum auch unter Druck und es zwingt dich dazu, hie und da einen Kompromiss zu schließen.
Dann ist er plötzlich da, der Tag der Manuskriptabgabe.
Und es stellt sich Erleichterung ein. Aber auch ein bisschen ein trauriges Gefühl, dass es nun erstmal vorbei ist, das Buchschreiben.
Aber wer sagt denn, dass es das letzte Buch war? Das Leben schreibt schon wieder neue Geschichten.
Einen besonderen Dank möchte ich hier an dieser Stelle mal an drei wundervolle Frauen aussprechen. Zuerst an unsere Literaturagentin Christine Härle von der Agentur Brauer. Sie war es, die uns überhaupt entdeckt hat, ganz fest an uns glaubte und uns animiert hat, dieses Buch zu schreiben.
Dann unsere wundervolle Lektorin, Anna Cavelius. Sie hat nicht nur alles in eine tolle Form gebracht, sondern mich oder uns immer wieder sehr bestärkt und motiviert, genau in den Zeiten, wo wir vielleicht mal am Zweifeln waren. Und Dank gilt auch unserer Ansprechpartnerin bei unserem Verlag Gräfe und Unzer, Anja Schmidt. Sie hat uns immer wieder das Gefühl vermittelt, dass sie voll und ganz hinter unserem Projekt steht. Damit hatten wir wirklich drei tolle Frauen im Rücken.
Die schönen Bilder hat übrigens unser Lieblingsfotograf Rainer Hofmann von uns gemacht.
Unser Buch FUCK THE FALTEN, Wild bleiben statt alt werden, erscheint im Gräfe und Unzer Verlag und ist ab 4. März 2020 im Buchhandel erhältlich.
FUCK THE FALTEN, Wild bleiben statt alt werden
Verlag: Gräfe und Unzer
ISBM: 978-3-8338-7175-7
192 S., Hardcover
16,99 €
Ihr könnt es aber schon mal in allen Buchhandlungen vorbestellen ;-)
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