22•05•2025

FTF Die Buchstaplerin # 44 – Schmöker-Zeit

Es ist Ende Mai, der Urlaub steht früher oder später vor der Tür und das ist für mich die perfekte Zeit für schöne Schmöker. Fragt man den Duden, was ein Schmöker ist, bekommt man folgende Antwort: „ein dickeres, inhaltlich weniger anspruchsvolles Buch, das die Lesenden oft in besonderer Weise fesselt.“
Ich möchte der Aussage widersprechen, dass ein Schmöker weniger anspruchsvoll sein soll. Für mich macht einen guten Schmöker eine faszinierende, originelle Geschichte, facettenreiche Charaktere, atmosphärische Beschreibungen, einen fesselnden Spannungsbogen und eine ansprechende, schöne Sprache aus – und wenn der Roman dann noch zum Nachdenken und zur Diskussion anregt, bin ich eine glückliche Leserin. Ich habe für euch ein paar mitreißende, neue Schmöker, die mich die Welt um mich herum vergessen haben lassen, zusammengestellt:

Bücher, die so richtige Schmöker sind

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Sommer-Schmöcker

Nach einer kleinen Leseflaute hatte ich das große Vergnügen, in Martina Behms vielschichtigen Dorfroman Hier draußen (dtv Verlag) abtauchen zu dürfen, um am Ende Fehrdorf und seine Bewohner:innen höchst ungern wieder zu verlassen.
Ingo und Lara sind mit ihren Kindern aufs Land gezogen, um ein scheinbar entspannteres Leben zu führen, doch Ingo hat die anstrengende Pendelei zwischen Hamburg und Fehrdorf unterschätzt. Als er auf seiner Rückfahrt eine weiße Hirschkuh anfährt, gerät das gesamte Dorf in Aufruhr, denn der Tod dieses Tieres bedeutet großes Unglück. Die einzelnen Dorfbewohner:innen gehen sehr unterschiedlich mit der dunklen Prophezeiung um: der Jäger Uwe hat Angst, dem schwer verletzten Tier den Gnadenschuss zu verpassen, ein Bauer stirbt kurz darauf fast an Gülle-Dämpfen (die Trauer seiner Frau wäre dabei überschaubar), Ingo droht ein Burnout während Lara alles versucht, anerkannt und akzeptiert zu werden und die ehemalige Hippie-Kommune kämpft ums Überleben – jede und jeder im Dorf hat seine Sorgen und Nöte, die man nur ungern nach außen trägt, … Wird die Sage um die weiße Hirschkuh, die den Tod bringt, wahr werden?

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Hier draußen, Martina Brehm

Martina Behm erzählt klug, unsentimental und voller Herzenswärme vom Leben in der norddeutschen Provinz und beschreibt dabei unterschiedliche Lebensentwürfe, wie sie in vielen Dörfern vorkommen. Mit feinen, humorvollen Zwischentönen unterhält die Autorin großartig und lädt alle Stadt- und Landmenschen zu einer wunderbaren Auszeit nach Fehrdorf ein!


Wie schwer kann ein Geheimnis eine Familie belasten? Rebbekka Frank erzählt feinfühlig und sensibel in ihrem Roman Stromlinien (Fischer Verlag) über Lebensentscheidungen mit schwerwiegenden Folgen für die nächste Generation. Angesiedelt in der lyrischen Landschaft der Elbmarsch wachsen die Zwillinge Enna und Jale bei ihrer wortkargen Großmutter auf und beide sehnen den Tag der Entlassung ihrer Mutter Alea aus dem Gefängnis herbei. Als Enna sich vor den Toren der Haftanstalt auf ihre Mutter freut, wartet sie vergebens und auch ihre Schwester ist wie vom Erdboden verschluckt. Was ist geschehen? Enna macht sich auf die Suche nach der Wahrheit und einem Familiengeheimnis – sie möchte endlich wissen, was damals genau passiert ist. Unterstützung und Trost findet sie auf ihren Fahrten mit ihrem Boot „Sturmhöhe“ und die Kraft der Natur schenkt ihr Mut und Zuversicht, auch in Momenten der dunklen Aussichtslosigkeit zeigen sich immer wieder neue Wege… 

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Stromlinien, Rebekka Frank

„Stromlinien“ ist ein ruhiger, emotionaler und sehr atmosphärischer Roman um Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, Schuld und Buße, Zugehörigkeit und Familie – für mich das perfekte Lesefutter für lange Sommerabende!


Zu einer schillernden Zeitreise ins Rom der 60er-Jahre lädt Emily Dunlay mit ihrem Roman Teddy (Rowohlt Verlag; übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann) ein: Im Sommer 1969 zieht Teddy Huntley Carlyle mit ihrem frisch angetrauten Ehemann David, einem amerikanischen Diplomaten, von Texas nach Rom, um dort in der Gesellschaft die perfekte Ehefrau zu geben – eloquent, charmant, elegant und in jeder Hinsicht perfekt. Doch diese Rolle fällt Teddy zunehmend schwerer, denn ein angepasstes Leben vereinbart sich nur schwer mit ihrer ruhelosen Vergangenheit. Die Widersprüchlichkeiten ihres Charakters zwischen naiv und skrupellos, angepasst und egoistisch, verletzlich und manipulativ treten immer mehr zutage und als ein unbedachter Fauxpas ein unvorhersehbares Chaos anrichtet und sie dabei zwischen die politischen Fronten des Kalten Krieges gerät, muss Teddy die an sie gestellten Erwartungen und sozialen Zwänge hinterfragen und entscheiden, welches Leben das richtige für sie ist …

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Teddy, Emily Dunlay


Teddy besticht durch ihre vielschichtige, nicht zuordenbare Persönlichkeit, die sie gegen die Strukturen des Patriarchats aufbegehren und dadurch zu sich selbst finden lässt. Die glamouröse, flirrende Stimmung untermalt gekonnt die Szenerie und mit einem Espresso oder Aperitivo holt man sich ein bisschen „La Dolce Vita“ auf den heimischen Balkon.


Wir freuen uns sehr, dass wir drei Exemplare von „Teddy“ von Emily Dunlay auf Instagram verlosen dürfen – ein herzliches Dankeschön an den Rowohlt-Verlag.


Von einem nahezu perfekten Verbrechen zwischen Juwelenraub und Liebesrausch erzählt  Joël Dicker in Ein ungezähmtes Tier (Piper Verlag; übersetzt von Michaela Meßner und Amelie Thoma): Sophie und Arpad leben mit ihren beiden Kindern in einem schicken Glashaus am Genfer Stadtrand – sie ist Anwältin, er Banker, beide schön, reich und sehr charmant. Befreundet ist das Ehepaar mit Karine und Greg, die in weitaus bescheideneren Verhältnissen in einem kleinen Reihenhäuschen leben und beide auf unterschiedliche Weise in Sophie vernarrt sind. Aber wer hat was mit dem Überfall in Genf zu tun, der gleich zu Beginn des Romans für den 2. Juli angekündigt ist? Auch die Vergangenheit spielt dabei eine folgenreiche Rolle, der Countdown zum Tag des Juwelenraubs zählt rückwärts und immer wieder zeigt sich, dass der Schein trügt und sich keine Vorhersagen machen lassen …
 

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Ein ungezähmtes Tier, Joël Dicker

Ein raffinierter Pageturner, der ein Geflecht aus Lügen und Intrigen, Neid und Missgunst aufbaut, die perfiden Grenzen zwischen Gut und Böse auflöst und bravourös mehrere Handlungsstränge verbindet, um diese am Ende gekonnt überraschend aufzulösen.
Anschnallen, durchatmen und sich auf eine Achterbahn der Gefühle einstellen!


„Es stimmt, was sie sagen: In einem einzigen Moment kann man ein ganzes Leben leben.“ 


Manchmal braucht man doch einfach einen herzzerreißenden Liebesroman voller Romantik, Drama und Herzschmerz, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte, oder?! 
Genau so eine Geschichte ist Wie Risse in der Erde von Claire Leslie Hall (Piper Verlag; übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann), die uns auf eine bittersüße Reise in die englische Provinz mitnimmt: Beth lebt mit ihrem Mann Frank auf einer Farm in Dorset. Der Verlust ihres gemeinsamen Kindes belastet ihre Ehe, Schweigen bestimmt ihren Alltag. Als eines Tages Beths große Jugendliebe Gabriel, der Sohn reicher Herrenhausbesitzer am Ort, mit seinem Sohn Leo zurück in die alte Heimat kommt, flammen Beths Gefühle von damals wieder auf und sie fühlt sich zerrissen zwischen Pflichtgefühl und Leidenschaft. Ihre Gefühlswelt wird völlig durcheinandergewirbelt, sie kann Gabriels Anziehungskraft nicht widerstehen und so nimmt ein gefährliches Spiel mit dem Feuer seinen Lauf – mit unwiderruflichen Folgen für alle Beteiligten …

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Wie Risse in der Erde, Claire Leslie Hall

„Wie Risse in der Erde“ ist eine emotionsgeladene Dreiecksgeschichte, die nicht ganz ohne Kitsch auskommt, und trotzdem immer wieder zu überraschen versteht. Die kurzen eingeschobenen Kapitel einer rätselhaften Gerichtsverhandlung werfen Fragen auf und es entsteht ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Eine Lovestory wie ein guter Hollywood-Blockbuster, bei der man Taschentücher bereithalten sollte!  


Ein Schmöker voller Magie und Musik ist Für Polina von Takis Würger (Diogenes Verlag): Hannes Prager, ein musikalisches Wunderkind, lebt mit seiner Mutter Fritzi in einer alten Villa bei Heinrich, einem eigenbrötlerischen, aber liebenswerten Sonderling, der die beiden in sein Herz geschlossen hat. Hals über Kopf verliebt sich der 14-jährige Hannes in das außergewöhnliche Mädchen Polina, für die er ein Klavierstück komponiert. Als seine Mutter überraschend stirbt, fühlt Hannes nur noch Trauer und Wut, seine Gefühle für Polina unterdrückt der junge Mann und die beiden verlieren sich aus den Augen – nicht einmal die Musik vermag Hannes Trost zu schenken und er verliert seine Kraft und Inspiration. Seine Arbeit als Klavierstimmer macht ihn nicht glücklich und nach vielen Jahren spürt Hannes, dass er sich auf die Suche nach Polina machen muss, um seine Seelenverwandte wiederzufinden. Er hofft, dass ihre Melodie ihm den richtigen Weg zeigen wird – ist die Musik der Schlüssel zu seiner verlorenen Liebe?

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Für Polina, Takis Würger


Poetisch, feinsinnig, mit märchenhaften Zügen erzählt Takis Würger von den Irrungen und Wirrungen der Liebe, untermalt mit dem Zauber der Musik komponiert er dabei eine traurig-schöne Geschichte, die noch lange nachklingt!


Manchmal suche ich mir eine kleine Auszeit voller Spannung und Nervenkitzel, um alles um mich herum auszublenden. Vera Bucks Thriller Der dunkle Sommer (Rowohlt Verlag) ist das bestens gelungen:
Ein Haus auf Sardinien für nur einen Euro? Die Architektin Tilda blendet jeden Haken an der Geschichte aus und erwirbt eine verfallene Villa in dem Geisterdörfchen Botigalli, mitten im wilden Hinterland und fernab der touristischen Hotspots. Nach einem tragischen Unglücksfall in Berlin möchte sie die Vergangenheit hinter sich lassen und hofft auf einen Neuanfang in der Einsamkeit. Doch die vermeintliche Idylle trügt, eigenartige Vorkommnisse verunsichern die junge Frau – ist das Geisterdorf wirklich völlig ausgestorben? Zusammen mit dem Journalisten Enzo, der sich schon länger mit der Geschichte des Dorfes beschäftigt, versucht Tilda den Geheimnissen von Botigalli auf die Spur zu kommen, denn auf ihrem Haus liegt offensichtlich ein Fluch, in den das gesamte Dorf vor 40 Jahren involviert war. Als ihr Bruder Nino bei ihr auftaucht und kurz darauf spurlos verschwunden ist und ihr mysteriöser Nachbar Silvio sie immer mehr verunsichert, muss Tilda aktiver werden und sich der Wahrheit stellen, die auch mit ihrer eigenen Familie zu tun haben könnte …

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Ein dunkler Sommer, Vera Buck

Die wahren Hintergründe der Geschichte, die Vera Buck in ihrem Nachwort beschreibt, haben mich umgehauen und mir einen anderen Blick auf die italienische Trauminsel gewährt. Drei unterschiedliche Erzählstränge mit fesselnden Plot-Twists sorgen für nervenaufreibende Spannung und die atmosphärischen Beschreibungen des Geisterdorfes sorgen für Gänsehaut-Momente – ein Krimi-Schmöker ganz nach meinem Geschmack!


Große Lieben von Katharina Hartwell (Berlin Verlag) ist ein Freundschaftsroman zweier ungleicher Frauen von den 1990er-Jahren bis zur Gegenwart und erzählt wird die Geschichte von Maren und Inga im Alter von 13, 23 und 33 Jahren. Beide wachsen in Hanau auf und lernen sich im örtlichen Tennisclub kennen, doch schnell zeigt sich, dass ihr familiärer Background unterschiedlicher kaum sein könnte: während Inga in einer Villa mit Pool und zwei eigenen Zimmern lebt, wohnt Maren mit ihrer Familie in einer Hochhaus-Wohnung am anderen Ende der Stadt. Die beiden werden unzertrennlich, erleben zusammen die Licht- und Schattenseiten der Teenie-Zeit und doch bleibt die soziale Ungleichheit spürbar, die sie auch ihr weiteres Leben begleiten wird. In ihren Zwanzigern folgt Inga den Wünschen ihrer Eltern und macht Karriere in der Finanzwelt, während Maren mit ihrem Studium der Literaturwissenschaften und Gender Studies als Bildungsaufsteigerin gilt. Die Freundschaft der beiden verändert sich im Laufe der Jahre, es kommt zu Konflikten und Brüchen, aber das Leben führt sie immer wieder zusammen. Als im dritten Jahrzehnt Maren ein Baby bekommt und Inga sich mit ihrer Kinderlosigkeit auseinandersetzen muss, wird die Freundschaft erneut auf eine harte Probe gestellt …

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Große Lieben, Katharina Hartwell

Ein mitreißend erzählter Roman voller wichtiger Themen, die auch in unserem Leben irgendwann eine Rolle spielen oder gespielt haben: soziale Herkunft, Identitätsfindung, Lebensträume, Kinderwunsch, Mutterschaft, Selbstverwirklichung und Feminismus ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Dabei beleuchtet Katharina Hartwell mit viel Gespür die kleinen, feinen Risse und großen Lieben im Leben, die uns alle ausmachen!


Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel … und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen. 


Mit diesem schönen Zitat von Walt Disney wünsche ich euch eine wunderbare Schmöker-Zeit! 

Wir lesen uns! 
Eure Buchstaplerin

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Corinne mit vielen Schmökern

Corinne_Schmöcker

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Kommentare

Elke Reichelt

Jch bin verliebt und warte auf den nächsten Bücherschatz

Liebe Elke,

herzlichen Dank und der nächste Bücherschatz kommt bestimmt ♥ Uli

Martina

Viele gute Vorschläge. Herzlichen Dank für die Anregungen.

Liebe Martina,

wir sind auch immer ganz begeistert von Corinnes Vorschlägen. ♥ Uli

Betty Preiß

Herzlichen Dank für die interessante Vorstellung der verschiedensten Bücher…
Liebe Grüße

Liebe Betty,

wir geben das nette Kompliment mal so an Corinne weiter, vielen Dank. ♡ Uli

Bea Reiter

So viele tolle neue Bücher, vielen Dank für die guten Tipps! 💐
Auf Teddy freue ich mich besonders!
Liebe Grüße und einen gemütlichen Sonntag

Liebe Bea,

ich persönlich finde TEDDY auch ganz wundervoll. Schon das Cover lässt mit in die 60er in Rom abtauchen. ♡ Uli

Edda

Die Bücher hören sich alle sehr lesenswert an. Das verspricht eine gute Zeit!!

Ina

So viele gut klingende Büchertipps! Ganz lieben Dank für‘s Entdecken und Vorstellen! Da kommen sicher einige auf meine Liste! 😍📚

Liebe Ina,

das freut uns sehr zu hören und Corinne sicher auch. ♡ Uli

Wir freuen uns auf deinen Kommentar

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