03•10•2024

Die Kraft des Alleinseins – wie intuitives Schreiben dabei hilft

Doris Hönig hört auf ihre innere Stimme. Sei es, um ihre Wahlheimat im Norden zu finden oder ihrer beruflichen Bestimmung als Schreibtherapeutin zu folgen. Zweifel kennt sie nicht, Herausforderungen dafür umso besser. Mit ihren Schreib-Angeboten für Frauen in der zweiten Lebenshälfte passt sie wunderbar in unseren Blog. 


"Papier ist geduldig"


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Doris Hönig

FTF: Doris, du kommst ja ursprünglich aus der Architektur und hast früher Häuser gebaut. Wie kamst du denn zum „Schreiben“? Und hast du die Architektur ganz an den Nagel gehängt?

Doris: Das sind nach der Frage ‹Wie komme ich ins Schreiben, Doris?› die zweithäufigsten Fragen, die mir gestellt werden. Und ich, je öfter ich meine Geschichte erzähle, desto dankbarer bin ich darüber, wie es passiert ist. Denn ich habe so großes Glück gehabt, dass mir das Leben im Sommer 2006 durch einen Visionstraum einen ‹Auftrag› gegeben hat. In einer Zeit, in der ich beruflich absolut erfüllt war.

Damals war ich gerade als Bauleitung in der Schweiz und durfte ein wunderschönes Schulprojekt in Winterthur begleiten. Deshalb war ich gleich doppelt überrascht, als ich an diesem Morgen im August aufgewacht bin, und wusste: Du musst schreiben, Doris. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht einmal daran gedacht, ein Buch oder eine Geschichte zu schreiben. Aber dieser Traum, von dem ich interessanterweise überhaupt nichts mehr weiß, hat ein so deutliches Gefühl in mir hinterlassen, dass ich noch im Schlafanzug an den Schreibtisch gegangen bin und angefangen habe zu schreiben.

Seit diesem Moment wusste ich, dass die Architektur mich nur noch ein kleines Stück meines Weges begleiten wird. Ich wusste, dass das Schreiben mein Lebensmittelpunkt ist. Ich wusste allerdings nicht, dass es noch ein ganz schön langer – und auch anstrengender Weg war, der vor mir lag. Würde ich es noch einmal tun? Auf jeden Fall! Denn kein Gebäude, so schön sie auch alle waren, konnte mich je so erfüllen, wie es die Arbeit mit ‹meinen› Frauen jeden Tag tut.

 

FTF: ​Hilft dir die Herangehensweise in der Architektur dabei, deine Texte aufzubauen?

Doris: Spannende Frage. Habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht. Bei meinen belletristischen Texten kann ich mir gut vorstellen, dass mir das Entwerfen, das in Varianten-Denken und das räumliche Vorstellungsvermögen hilft. 

Beim therapeutischen oder kreativen Schreiben in der Gruppe definitiv nicht.


Denn da geht es ja genau darum, zu schreiben OHNE zu denken. Die Gedanken einfach aus sich rausfließen zu lassen. Also aus dem Bauch direkt aufs Papier – ohne den Umweg über den Kopf.


 

FTF: Schreiben ist ja grundsätzlich ein sehr weitgefasster Begriff. Wie würdest du dich selbst bezeichnen und wo liegen deine Schwerpunkte?

Doris: Ich selbst bezeichne mich am liebsten als Impulsgeberin, die durch aufmerksames Zuhören und inspirierende Fragen Menschen zu überraschenden Erkenntnissen verhilft. Oft führen diese Erkenntnisse dann zu mutigen Veränderungen.

Als zertifizierte Schreibtherapeutin arbeite ich mit ganz unterschiedlichen Schreibtechniken und -methoden, die – in der Mischung mit einem Gespräch – Dinge in Bewegung bringen, zu neuen Perspektiven führen oder einfach nur Klarheit bringen. 

Wer sein Leben wieder mit Sinn erfüllen will oder eine neue Richtung finden möchte, ist bei mir bestens aufgehoben.

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Neue Perspektiven mit Schreiben

FTF: Du bist also Schreibtherapeutin oder Schreibcoach. Was stelle ich mir darunter vor?

Doris: Stell dir einfach eine Frau vor, die dir dabei hilft, mit dir selbst wieder in Kontakt zu kommen. Durch aufmerksames Zuhören, tiefsinnige Fragen und durch inspirierende Schreibimpulse. Eine Frau, die dir hilft, deine innere Stimme wieder wahrzunehmen und ihr zu vertrauen. Eine Frau, die dein inneres Leuchten wieder entfacht. Gemeinsam mit dir.

 

FTF: Das Alleinsein ist immer mehr Thema in unserer Gesellschaft. Das betrifft nicht nur Menschen in unserem Alter, sondern mehr und mehr auch junge Menschen. Ist das Schreiben etwas, was hier deiner Meinung nach hilft? 

Doris: Absolut! Denn durch das Schreiben verarbeite ich eine Situation oder Gedanken, die mich belasten. Dadurch, dass ich mich einem Gefühl, wie z.B. der Angst vor dem Alleinsein, stelle und meine tiefsten Gedanken dazu in Worte fasse, verändert sich diese Situation. Durch diese neue Wahrnehmung und den veränderten Umgang mit dem Gefühl, erhöht sich meine Lebensqualität. Spürbar.

 

FTF: Was passiert denn durch das Schreiben?

Doris: Das ist eine Frage, die seit vielen Jahren Wissenschaftler umtreibt. Eine Antwort darauf gibt es noch nicht. – Man weiß, dass das Schreiben eine Auswirkung auf die Psyche, den Körper und das Verhalten hat. Aber was genau passiert und warum, das ist nicht bekannt. 

Für mich persönlich ist es auch nicht wichtig, ob es wissenschaftliche Belege dafür gibt.


Ich erlebe jeden Tag, was für faszinierende Auswirkungen das Schreiben auf das Leben meiner Klientinnen hat. Von meinem eigenen ganz zu schweigen.


FTF: Welche Auswirkungen kann das intuitive Schreiben auf mich oder meine Psyche haben?

Doris: Durch das Schreiben kannst du dir eine Basis für ein mental gesundes Leben erschaffen. Du bist z.B. entspannter, erkennst klar, wo du dir selbst im Weg stehst und dich einschränkst, du bist deinen Gefühlen nicht mehr hilflos ausgeliefert, dein Kopf wird ruhiger und du kannst besser schlafen. Schreiben soll sogar eine positive Auswirkung auf die Aufmerksamkeit, die Konzentration und das Gedächtnis haben. 

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Doris am Baum

FTF: Kann sich denn tatsächlich durch Schreiben ein Gefühl oder Gemütszustand klären oder ändern? Oder zeigen sich dadurch vielleicht sogar Lösungswege für Probleme?

Doris: Wer in einer aufwühlenden Situation schon einmal zu Stift und Papier gegriffen hat und z.B. seine Wut über den starrköpfigen Nachbarn freien Lauf gelassen hat, weiß, dass die Wut-Wolke mit jedem Wort schrumpft oder sich sogar auflöst. Am Ende ist da vielleicht auch eine Idee, wie der Nachbarschaftsstreit friedlich beigelegt werden kann. Also ja, Schreiben kann klären. Schreiben kann auch heilen. Schreiben ist einfach eine Wunderwaffe, die (fast) alle Probleme lösen kann.

 

FTF: Warum machst du deine Kurse ausschließlich mit Frauen? Und was für Frauen sind das, die zu dir kommen?

Doris: Früher war ich immer dankbar, wenn es gemischte Kurse waren. Irgendwann ist mir aber aufgefallen, dass die Energie viel intensiver ist, wenn es nur Frauen sind. Wir Frauen öffnen uns viel leichter, machen uns verletzlich und können so ganz schnell eine tiefe Verbindung untereinander aufbauen. Das ist beim therapeutischen Schreiben eine ganz wichtige Grundvoraussetzung.

Was alle Frauen vereint, die zu mir kommen, ist das Gefühl, dass etwas in ihrem Leben nicht mehr stimmt. Das irgendetwas fehlt. Oft wissen sie nicht, was das ist. Oder etwas ist weggebrochen, das ihnen davor Halt gegeben hat. Durch das Schreiben – ob in der Gruppe oder in der 1:1 Arbeit mit mir – kommen sie sich selbst wieder näher und öffnen Türen, hinter denen sie neue Ideen und Lösungsansätze finden. Und sie werden mutiger, neue Dinge auszuprobieren, machen sich auf die Suche nach dem Sinn, ihrem Warum.

 

FTF: Wie finden dich diese Frauen?

Doris: Entweder finden sie einen Flyer, hören einen Podcast, suchen auf Google nach ‹therapeutischem Schreiben›, stossen auf einen Instagram- oder LinkedIn-Post, hören von einer Freundin oder Bekannten davon, lesen ein Frauenmagazin oder einen Blogbeitrag wie diesen hier. – Wie gute Bücher ihren Weg zu uns finden, finden auch die Frauen zu mir, die das Schreiben für sich nutzen wollen.

 

FTF: Ich kann mir vorstellen, dass für die meisten Frauen das Schreiben erstmal ein komplexes Thema mit einer großen Hemmschwelle ist. Wie nimmst du den Frauen diese Bedenken?

Doris: Im Normalfall reichen ein paar wenige Punkte aus, um ihnen diese Bedenken zu nehmen. Wie z.B. die Angst, bewertet zu werden oder wie in der Schule etwas ‹abliefern› zu müssen. Das Allerwichtigste beim Schreiben – ob kreativ oder therapeutisch – ist, die Hand immer in Bewegung zu halten. Damit verhindern wir, dass sich das Denken einschaltet. Außerdem ist es wichtig, dem ersten Verlangen aufhören zu wollen, unbedingt zu widerstehen. Denn das ist unser innerer Kritiker, der uns in altbekannten Bahnen halten will. Eine gute Schreibzeit sind 10 Minuten. – Ja, und dann geht’s einfach um den Sprung ins kalte Wasser: Schreiben! Der Rest kommt von alleine.

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Doris am Schreibtisch

FTF: Was muss ich als Voraussetzung mitbringen, um zu schreiben?

Doris: Einen Stift, mit dem du gut schreiben kannst, einen Collegeblock oder sonst irgendein Papier, Offenheit und Lust auf Neues. That’s it.


Schreiben ist einfach – deshalb wird seine Wirkung auch so oft unterschätzt.


 FTF: Du betreust auch Frauen mit Krebserkrankungen oder anderen Schicksalsschlägen. Das ist eine große Aufgabe. Wie gehst du damit um?

Doris: Ehrlich gesagt ist die Arbeit mit diesen Frauen ein großes Geschenk für mich. Zu erleben, wie sie durch das Schreiben wieder Mut schöpfen, wie sie wieder Kraft finden, ihr Leben trotz dieses Einschnittes positiv zu sehen und neue Wege finden, ist einfach unbeschreiblich schön mitzuerleben. Ich glaube, ich nehme mindestens genauso viel aus diesen gemeinsamen Schreibzeiten mit wie sie.

 

FTF: Wie stelle ich mir denn ein Schreibcoaching mit dir vor? Müsste ich dazu vor Ort sein?

Doris: Tatsächlich biete ich die 1:1 Arbeit mit mir ausschließlich online an – Corona sei Dank! Den Begriff ‹Schreibcoaching› verwende ich absichtlich nicht, weil damit oft das Bücherschreiben gemeint ist. Und das biete ich ja gar nicht an.

Bei mir bekommst du ein ‹Selbstcoaching durch Schreiben›. Hört sich jetzt vielleicht haarspalterisch ist, ist aber etwas vollkommen anderes.

Unsere Zusammenarbeit ist mit einem Strickliesl-System vergleichbar: Wir unterhalten uns, ich gebe dir einen Schreibimpuls, zu dem du 10–15 Minuten schreibst, dann sprechen wir darüber, was der Impuls mit dir gemacht hat, ich gebe dir einen neuen Impuls usw.

Während dieser Zeit sind wir gemeinsam in unserem virtuellen Schreibraum. Wenn du schreibst, schalten wir uns stumm, damit du ungestört schreiben kannst und ich kann in Ruhe meine Notizen durchgehen und schauen, was vielleicht noch ein interessanter Punkt wäre, der dich weiterbringt.

Wohin uns diese Reise führt, wissen wir beide zu Beginn unseres Treffens nicht. Aber auf unserem Weg findest du viele Goldnuggets, mit denen du dein Leben verändern kannst.

 

FTF: Welche Art von Kursen bietest du an? Und was ist der Unterschied zwischen kreativem und therapeutischem Schreiben?

Doris: Es gibt zwei Unterschiede zwischen dem kreativen und dem therapeutischen Schreiben. Zuerst einmal sind es die Impulse an sich. 

Beim kreativen Schreiben sind es Impulse, zu denen uns entweder eine kleine Geschichte einfällt oder auch philosophische Gedanken. Beim therapeutischen Schreiben sind es Impulse, die in die Tiefe gehen, die sich also mit dir selbst beschäftigen.

Daraus folgt der zweite Unterschied. Das Schreiben an sich und was mit den Texten geschieht. 

Beim kreativen Schreiben lesen wir uns die Texte gegenseitig vor und erleben so, wie aus ein und demselben Impuls mannigfache Geschichten entstehen. Beim therapeutischen Schreiben ist das ganz anders. Hier schreiben wir so, dass wir wissen: NIEMAND liest den Text! Auf diese Weise sind wir ganz ehrlich zu uns selbst und lassen alle Gedanken zu. Nach dem Schreiben sprechen wir darüber, was der Impuls mit uns gemacht hat. Und auch hier erleben wir, wie unterschiedlich wir Dinge empfinden. Aber auch, wie ähnlich wir uns alle sind. 

Dem einen liegt die Arbeit in der Gruppe, der andere bevorzugt die 1:1 Arbeit. Der eine bevorzugt Online, der andere möchte lieber vor Ort sein. Der eine schreibt lieber kreativ, der andere lieber therapeutisch. Der eine möchte lieber nur ein paar Stunden schreiben, der andere lieber einen ganzen Tag und der dritte lässt sich am liebsten auf eine intensive Reise über mehrere Tage ein. – Alles hat seinen Reiz. Zu allem findest du auf meiner Homepage das passende Angebot.

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Doris im Garten

FTF: Welches „Schreiberlebnis“ hat dich selbst am meisten überwältigt?

Doris: Hm, mir fällt spontan ein Erlebnis ein. Ob das allerdings mein überwältigendstes war, weiß ich nicht. Wir haben zu dem Zitat


‹Wen einer wirklich lebt, dann tun`s die anderen auch›


geschrieben. 

Das, was mich so überwältigt hat, war die Reaktion von ca. 95 % der Frauen. Sie haben diesen Spruch als starken Druck empfunden, ein ‹wirkliches Leben› leben zu müssen, damit die anderen auch so leben können. Eine Sichtweise, die mir im Traum nicht eingefallen wäre! 

Bei mir haben diese Worte ein Gefühl von Dankbarkeit ausgelöst, dass ich/wir alle von diesen Menschen profitieren dürfen. Dass sich in ihrem Umfeld unsere Energie der ihrigen angleicht. Vom Druck etwas leisten zu müssen überhaupt keine Spur. – Das war ein Aha-Erlebnis, das mich tief beeindruckt hat. Und es lässt mich – auch heute noch – Reaktionen von Menschen aus einem anderen Blickwinkel betrachten. 

 

FTF: Du schreibst selbst auch Bücher. Was oder wer inspiriert dich hier?

Das wüsste ich auch gerne. Die Ideen zu meinen Geschichten kommen zu mir. Ausnahmslos. Ich habe mir noch keine einzige Geschichte ausgedacht. Es ist ein bisschen magisch. – Wie ein Samen, den der Wind zu mir trägt, der eine Zeitlang in mir schlummert, dann zu wachsen beginnt und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ich schreiben muss. Verpasse ich den, dann löst sich die Geschichte wieder auf. 

FTF: Liebe Doris, wir danken dir für das Interview. Hast du denn ein Beispiel für eine einfache Schreibübung, die uns im Alltag helfen kann? 

Doris: Ich habe zu danken, für die tollen Fragen! Und ja, die habe ich: Freewriting zu Fragen. Den Fragen sind einfach wundervoll, um ins Schreiben zu kommen. Stell dir zum Beispiel die Frage: Wie geht es mir eigentlich gerade? Oder: Ist das wirklich wahr, was ich mir immer und immer wieder erzähle? Oder auch: 


Wenn alles möglich wäre, was würde ich dann tun? 


Aber auch alle anderen Fragen sind möglich. Wichtig dabei ist, einfach loszuschreiben. Mindestens 10 Minuten, länger geht immer. Je öfter ihr das macht, desto leichter fällt es euch und desto schneller findet ihr in den Schreibfluss. 

Und wenn ihr Lust habt, das Schreiben einfach mal auszuprobieren, dann lade ich euch zu einer Auszeit für die Seele ein. Das sind 5 Schreibimpulse, die euch auf eine kleine Reise nehmen.

Doris findet ihr auf Instagram, auf LinkedIn und auf ihrer Homepage doris-hoenig.de

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Kurs: Auszeit für die Seele


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