Zuhause ist, wo die Wolle ist
Birgit Bergmeier-Grimm folgen wir mit ihrem Label „Taschen fürs Leben“ schon lange auf Instagram. Wir beide haben ein Faible für Manufaktur. ;) Umso mehr haben wir uns gefreut, als Birgit uns angeschrieben hat, ob wir nicht einmal ihr Modelabel „Wollgwand“ vorstellen wollen. Letzte Woche haben wir sie interviewt und durften gleich auch ihre schönen Mäntel und ihre coolen Jacken anprobieren.


„Wollgwand“ ist der Name deines Labels. Wie bist du auf den Namen gekommen?
Das hat mehrere Wochen gedauert. Wir haben da in der ganzen Familie Brainstorming gemacht, überall lagen Zettel herum. Die Wolle sollte sich im Namen wiederfinden, gleichzeitig sollte es was Regionales sein, ein schöner, ursprünglicher Begriff. Und natürlich musste der Name ja auch noch frei sein für eine Website. Dann stand auf einem Zettel Kleidung. Und Kleidung heißt ja auf bayrisch Gewand oder Gwand. Und plötzlich war mir klar: Wollgwand, das ist es!
Was hast du vor „Wollgwand“ gemacht?
Vor „Wollgwand“ habe ich schon Taschen aus Filz produziert. Da bin ich eigentlich eher durch Zufall dazu gekommen: Ich habe einer Freundin eine Tasche zum Geburtstag gemacht und das ist im Freundeskreis und in der Familie so eingeschlagen, dass ich daraus das Label entwickelt habe: „Taschen fürs Leben“, Taschen aus Münchner Wollfilz. Inzwischen habe ich auch noch ein paar andere Lieferanten, aber das meiste ist noch immer aus Münchner Wollfilz. Jede Tasche gibt es in vielen Farben. Stammkunden bekommen auf Wunsch einen Farbfächer und bestellen dann ihre Wunschtasche.

Vor den Taschen habe ich Sicherheitskleidung entwickelt, zunächst für die Feuerwehr und den Forstbereich und dann immer technischer: GSG 9, Katastrophenschutz und Schutz vor biologischen und chemischen Kampfstoffen. Zuletzt war ich in einer Düsseldorfer Firma und habe im Rahmen eines Forschungsprojekts im Team mit Chemikern Sicherheitsanzüge hergestellt. Die einen entwickeln das Material, du entwickelst daraus einen Prototypen. Aber das sind ganz lange Prozesse, in denen ich auch viele Freiräume und Leerzeiten hatte, und so ist dann meine erste Tasche entstanden. ;)
Wie kann man sich deinen Arbeitstag vorstellen?
Wichtig ist mir, dass mein Tag abwechslungsreich ist.
Erst mal checke ich Social-Media, dann bearbeite ich meine Mails und schaue, was an Bestellungen reinkommt. Ich schreibe mir immer den Tag über auf, was ich an Materialien brauche. Es kann sein, dass ich einen Tag mal nur am Zuschneidetisch stehe, einen Schnitt mache und dann irgendeinen Prototyp entwickele. Es kann aber auch sein, dass ich dazwischen an der Nähmaschine bin oder irgendwelche Muster probiere.


Bist du gelernte Modedesignerin?
Ja und nein. Ursprünglich komme ich vom Handwerk. Ich habe meine Gesellenprüfung zur Schneiderin gemacht und danach zwei Jahre im Musteratelier bei Rena Lange gearbeitet, bis ich an der Modeschule angenommen wurde und dort vier Semester Modellistik und dann noch zwei Semester Mode- und Fachtechnik studiert habe. Das beinhaltet das Diplom der Deutschen Meisterschule für Mode und den Meisterbrief.


Woher holst du dir deine Inspirationen?
Bei den Schnitten sind es oftmals alte Techniken aus Büchern, die mich faszinieren. Es gibt so viele Techniken, die heute gar nicht mehr eingesetzt werden. Und so überlege ich oft, wie sich was mit Wollfilz oder mit dem Wollmaterial für Jacken, Mäntel und Hosen umsetzen und in kleiner Serie produzieren lässt.


Ich stecke auch direkt an der Puppe, stecke um, trenne noch mal auf und drehe den Ärmel oder mache die Schulter anders.
Ich bin kein Freund davon, die Schnitte am Computer zu konstruieren.
Das muss man, finde ich, eins zu eins am Papier an der Puppe vor sich sehen. Dann ist der nächste Schritt, das zu digitalisieren und ins System einzugeben. Aber grundsätzlich brauche ich die Proportionen vor mir, um den Entwurf richtig beurteilen und ändern zu können.
Und die Natur inspiriert mich:
Ich färbe beigen Filz gerne mit Naturfarben. Das habe ich schon mit Avocado, Zwiebel, aber auch Weide gemacht. Irgendwann habe ich mal gelesen, dass sich auch Frauenmantel gut eignet. Als ich dann irgendwo ein großes Beet mit Frauenmantel gesehen habe, der verblüht war, habe ich den abgeschnitten. Und dann probiert man halt aus: Wie kräftig muss der Sud sein? In welchem Verhältnis muss es sein? Wie lange muss vorher der Wollfilz bei gleichmäßiger Temperatur in der Lauge gelegen haben und wie lange muss er dann ins Färbebad? Und da kristallisieren sich dann zwei, drei Stoffe heraus, mit denen die Wollstärke sich gut färben lässt und vor allem auch nicht ausbleicht.

Warum ist dir Nachhaltigkeit so wichtig?
Kleidung sollte uns wieder etwas wert sein und langlebig kombinierbar sein. Wir sollten die Wertigkeit spüren und auch wissen, wo die Dinge herkommen.
Natürlich ist es schwierig, hier zu produzieren und es ist ein Kraftakt, das zu kalkulieren.
Aber ich glaube, dass es das wert ist, weil wir sonst noch mehr unserer Schätze verlieren. Das Material für meine Mäntel kommt beispielsweise aus Österreich von einer Firma, die alte Schafrassen pflegen, damit diese nicht aussterben. Die Stoffe für meine Hosen kommen aus Bayern.


Das Thema deutsche Schafwolle ist ja wirklich ein trauriges Kapitel, oft wird die Schafschur in Deutschland ja sogar weggeworfen (Anmerkung FTF: Hier findet ihr mehr Infos zu diesem Thema: Was können die Herstellenden dafür tun, dass die Schur von deutschen Schafen wieder für Pullis, Taschen und Mäntel verwendet wird?
Man muss kreativ werden: Ganz neu habe ich mit meinem Kollegen, Richard Hawranek von Astrifa GmbH, eine wendbare Jeansjacke entwickelt. Das Außenmaterial ist Jeans, innen brauner Merinostrick UND das Füllmaterial ist ein Wollvlies, hergestellt aus deutscher Schafwolle.


Du bist Vorsitzende des Vereins „Mode Made in Bayern“, ein Zusammenschluss von Herstellern und Designern, die auf Bekleidung setzen, die zu 100 % in Bayern hergestellt ist. Wie reagiert der Handel bzw. der Endverbraucher auf euer Versprechen?
Inzwischen gilt unser Logo als Gütesiegel. Gerade auf Messen bemerken wir, dass die Leute sagen: Da schaue ich mir auch gerne mal die anderen Labels an. (Zu Mode „Made in Bayern“ gehören Astrifa, Angelika Böhm, Barbarino Dirndl, Pezzo, Variasophia, Taschenfürsleben, Wollgwand, Zopf & Falte Anmerkung FTF)
Irgendwo haben wir gelesen, dass Jil Sander dein großes Vorbild war. Was gefällt dir an ihrer Arbeit?
Mir gefällt ihre Schnitttechnik, ihre Linienführung, die klassische Eleganz. Eine perfekte Passform. Dass es trotzdem lässig und elegant wirkt.
Die klare Linie durch den guten Schnitt. Den hat nicht jeder drauf.


Was ist dein nächstes Designprojekt?
Eine kleinere Umhängetasche, ganz anders in der Verarbeitung und eventuell vom Filz her zweifarbig.
Und wie lange dauert das vom Entwurf bis zur verkaufsfertigen Tasche?
Es ist unterschiedlich. Manchmal passt der erste Entwurf und er lässt sich genau so realisieren. Bei manchen gehe ich wieder einen Schritt zurück, trenne nochmal auf und überlege mir, was noch nicht stimmig ist und ob die Proportionen passen. Bei der jetzigen Tasche ist es gerade so, da gibt es zwei Prototypen und ich bin noch nicht zufrieden.
Wenn du jetzt einen Wunsch frei hättest: Was würdest du dir denn gerne mit „Wollgwand“ erfüllen?
Dass wir bekannter werden und auch in Städten wie Paris, London oder Rom vertreten sind.
Danke Birgit, für das schöne Interview. Wenn ihr mehr von Wollgwand sehen wollt, hier geht es zur Website.

© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
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