I will follow my dreams
Im April haben wir uns mit Marie-Theres getroffen. Marie-Theres Reisser ist Grafik-Designerin und Verlegerin. Wie ihr Bauchgefühl ihr gerade in der Verlagsbranche hilft, erfolgreich Bücher zu verlegen, wie sie sich als Kleinverlegerin in der Buchbranche durchkämpft, darüber hat sie mit uns gesprochen. Danke, Marie-Theres, für das offene Gespräch!
In ihrer Autobiographie „I will follow me“, die kürzlich bei euch erschienen ist, schreibt Peggy March, dass sie sich in ihrem Leben oft von ihrem Bauch hat leiten lassen. Bist du ein Bauch- oder ein Kopfmensch?
Ich bin der totale Kopfmensch. Je älter ich werde, desto mehr merke ich aber, dass es wichtig ist, meinem Bauch mehr Raum zu geben. Ich lasse mich inzwischen immer wieder von einer Numerologin beraten: Anhand meines Geburtsdatums errechnet sie meine Lebenszahl. Sie legt die genetischen Anlagen und Grundtendenzen einer Persönlichkeit fest. Da sie auf dem Geburtsdatum beruht, bleibt sie für eine bestimmte Person immer gleich. Die Namenszahl kann ja durch Änderung des Namens geändert werden. Dabei wird jeder Buchstabe des Namens in eine Zahl umgerechnet und zusammengezählt. Sie zeigt zum Beispiel auf, wie man auf sein Umfeld wirkt, welche undeutlich empfundenen Talente in einem stecken, was einen antreibt und steuert (der unsichtbare Chauffeur), sie hilft, eigene Schwächen zu erkennen, um das Ziel seiner Wünsche zu erreichen – sehr spannend.
Bei mir regiert eben der Kopf, aber ich weiß, dass ich mehr mit meinem Bauch machen will oder soll. Das hat mit meinen Eltern zu tun. Mein Vater ist der rationale Kopfmensch, Physiker. Meine Mutter ist immer wahnsinnig emotional gewesen, Künstlerin, reiner Bauchmensch, und ich war irgendwie dazwischen und wollte oft nicht so emotional sein wie meine Mutter. Und ja, so ist auch mein Beruf entstanden. Grafikdesignerin ist irgendwas zwischen Künstlerin und Computer.
Das heißt, für dich ist die Numerogie eine Art Coaching?
Ich bin ein spiritueller Mensch. Diese Beratung ist für mich eine Bestätigung für etwas, was ich eh schon weiß, tief in mir drin, und schenkt mir Vertrauen. Das Vertrauen, auf meinen Bauch zu hören, der mich in dieser verrückten Welt erdet.
Der Marie von Mallwitz Verlag verlegt Bücher für „kluge Frauen“. Wie entscheidest du, was kluge Frauen lesen wollen?
Ganz am Anfang waren wir ein Verlagsteam – wir waren zu viert –, da haben wir uns Themen gesucht, die uns alle interessiert haben. Wir wollten Bücher verlegen, die einem helfen, in der eigenen Entwicklung voranzukommen und Fehler zu vermeiden, die schon einmal von anderen gemacht wurden. Seit einem Jahr leite ich den Verlag alleine: Ich suche tatsächlich erst einmal Themen, die ich selbst spannend finde. Aber natürlich weiß ich, dass man nicht nur von sich ausgehen kann.
Jeder Mensch hat ja ein anderes Leben, eine andere Vergangenheit, etwas anderes gelernt und andere Talente.
So höre ich überall wirklich genau hin. Aber es gibt natürlich viele Themen, die für alle interessant sind, etwa Frauen und Finanzen.
Du leitest den Verlag jetzt alleine, wie war der Weg dorthin?
2015 habe ich bei Monika Scheddin eine Coaching-Ausbildung gemacht. Monika wollte schon immer einen Verlag gründen und hat sich eine Crew dafür zusammengesucht: Einen Verleger, eine Frau für die Kommunikation und Events, sie selbst hatte das Netzwerk und übernahm den Vertrieb und mich holte sie für die Gestaltung und Geschäftsführung. Da sie mich während der Coachingausbildung ja besser kennengelernt hat, wusste sie, dass ich Führungsqualitäten habe und auch ein Entdecker-Gen mitbringe. Ich dagegen habe anfangs gar nicht gewusst, was da eigentlich auf mich zukommt. Aber dadurch, dass ich die Finanzen und auch die Steuer und die Buchhaltung gemacht habe, hatte ich schnell den besten Überblick. Wir haben den Verlag alle nur nebenher gemacht und so nach und nach sind alle ausgestiegen. Als Monika letztes Jahr aufgehört hat, habe ich mir gesagt: Ich mache weiter! Ich werde nicht umsonst sieben Jahre investiert und mir mühsam das Verlagswesen beigebracht haben. Ich habe viel von unserem externen Vertriebler gelernt, da bin ich wirklich dankbar. Überhaupt haben wir uns in den vergangenen sieben Jahren ja ein Team aufgebaut: Lektoren, Setzer, die Druckereien, das Versandhaus, Öffentlichkeitsarbeit …, das ist alles gewachsen. Also, die Mitgründer sind nach und nach gegangen, aber das ganze Team dahinter ist gewachsen, und auf dieses Team kann ich mich wunderbar verlassen. Deshalb habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich alleine bin, sondern ich habe ganz besonders nette und verlässliche Leute hinter mir.
Wir kennen uns als Grafik-Designerinnen. Was fasziniert dich am Verlegen von Büchern?
Mir ist die Faszination für Bücher sozusagen in die Wiege gelegt worden. Meine Eltern lieben Bücher. Bücher haben bei uns zu Hause einfach dazugehört, auch heute liegen im Wohnzimmer noch Hunderte von (auch sehr alten) Büchern rum. Bücher werden in unserer Familie hoch geschätzt. Ich habe beispielsweise eine Goethe-Erstausgabe zuhause.
Das Verlegen liegt bei uns in der Familie: Mein Urgroßvater hatte eine Druckerei und hat damals die Wiener Presse herausgebracht.
Und dann begeistert mich natürlich, was ich alles in den letzten Jahren dazulernen konnte. Ich habe es als Art-Directorin schon immer geliebt, Projekte zu organisieren und alles auf meine Kunden maßzuschneidern. Aber bei den Büchern kam dann eben noch diese ganz neue Verlagswelt dazu. Und der Reiz, dass man nie weiß, ob ein Buch durch die Decke geht. Bei Peggy March beispielsweise sind wir jetzt schon in der zweiten Auflage.
Wer ist denn eigentlich diese Marie von Mallwitz? Hat die auch etwas mit deiner Familiengeschichte zu tun?
Nicht direkt, der Name ist auch ein Produkt von uns vier Gründern. Uns schwebte so eine Muse vor, eine Frau, die vor 100 Jahren gelebt hat, die uns gefallen hätte, weil sie sehr humorvoll, wissbegierig und neugierig war, also anderen Frauen in ihrer Zeit weit voraus. Und dann haben wir gesagt, jeder darf was zu dem Namen beisteuern: Von mir kam die „Marie“, Barbara von Greve hat ihr „von“ gegeben, Monikas Großmutter hieß „Mallwitz“. Das Bild auf unserer Website zeigt meine Urgroßmutter, die genau so aussieht, wie wir uns unsere Muse vorgestellt haben:
Sie war Rennfahrerin und ist 1910 Rennen gefahren - mit den Autos ihres Mannes. Für mich ein Vorbild. Ich habe sogar noch ihre Ledermütze.
Wie viele Bücher hast du schon verlegt? Was war bisher dein größter Erfolg?
Wir haben bisher 10 Bücher verlegt. Aber „I will follow me“ von Peggy March ist bisher unser größter Erfolg. Das liegt auch an meiner tollen PR-Expertin Katrin Hrubesch. Wir hatten wirklich unglaublich viel Presse. Mich hat dieses Projekt auch unglaublich gereizt, denn es ist ja nicht nur die Lebensgeschichte einer Schlagersängerin, sondern auch die Geschichte eines Mädchens, das im spießigen Amerika der 50er-Jahre aufgewachsen ist. Einer Frau, die sich mit der Zeit von allem befreit hat und jetzt seit vielen Jahren ihren eigenen Weg geht. Und eben auch andere ermutigt, auf ihr Bauchgefühl zu hören.
Und es ist auch ein Stück deutscher Musikgeschichte, das zeigt, wie damals mit Frauen umgegangen wurde. Der Manager von Peggy March war ja später ihr Ehemann, wirklich eine große Liebesgeschichte. Trotzdem hat er bestimmt, dass sie bei ihren Auftritten einen Minirock tragen sollte. Und Peggy musste dafür kämpfen, dass aus dem Minirock die langen Hosen wurden. Sie hat die kurzen Röcke gehasst, weil sie gar nicht wusste, wie sie sich damit hinsetzen, wie sie sich bewegen sollte.
Der Marie von Mallwitz Verlag ist bisher ein reiner Sachbuchverlag: Wie bist du denn darauf gekommen, ein Buch mit und über Peggy March zu machen?
Die Agentur von Peggy March ist an uns herangetreten und wir hatten ein Kennenlerntreffen. Als die Entscheidung gefallen war, habe ich gefragt, wieso sie sich denn für mich entschieden hätten. Die Agentur meinte, das hätte Peggy March nach ihrem Bauchgefühl entschieden. ;)
Büchermenschen wissen, dass der Vertrieb eines der schwierigsten Dinge am Bücher machen ist. Kannst du uns erzählen, wie du als Kleinverlegerin da durchkommst?
Monika Scheddin hatte ja ein eigenes, lange aufgebautes Netzwerk. Deshalb war die ursprüngliche Idee, dass wir darüber einen Direktvertrieb organisieren. Alex, der lange Jahre unseren Vertrieb gemacht hat, hat es dann zumindest geschafft, dass wir im Buchhandel gelistet wurden (Anmerkung FTF: Ohne eine Listennummer ist es gar nicht möglich, ein Buch im Buchhandel zu verkaufen). Dazu kommt eine tolle Pressearbeit. Zu „Peggy March – I will follow me“ haben wir etwa 500 Pressemeldungen bekommen. Und eine rührige Autorin hilft natürlich auch: Peggy March etwa wird auf einer Lesereise durch Deutschland touren und ist die letzten zwei Monate in Dutzenden von TV-Sendungen, wie zum Beispiel "Ringlstetter" im BR, aufgetreten.
Und dann gibt es ja noch den guten alten Handelsvertreter. Leider sind wir dafür zu klein. Der Handelsvertreter bei uns bin jetzt ich. Mit dem Buch von Peggy March bin ich zur Buchhandlung Hugendubel am Marienplatz gefahren und habe mir den Einkäufer (dessen Namen ich ja auch erst einmal recherchieren musste) vorstellen lassen. Er war sofort von dem Buch sehr begeistert und jetzt hatten wir mit Peggy March sogar eine Signierstunde beim Hugendubel. Ich hätte mir früher nie vorstellen können, dass ich da so hartnäckig bin, aber jetzt gibt mir das einen Kick, wenn ich beim richtigen Kontakt vorsprechen kann.
Welche Aufgabe am Verlegerinnendasein liebst du am meisten?
Ich lese gerne Konzepte. Und dann das erste Gespräch mit den Autorinnen oder Herausgeberinnen. Dabei herauszuarbeiten, wieso sie dieses Buch schreiben wollen und was dabei der Mehrwert für uns sein könnte, das finde ich spannend. Das habe ich schon als Grafik-Designerin geliebt. Beim Erstkontakt gemeinsam herauszufinden, wie wir das Thema zum Erfolg führen.
Wenn du ein Buch schreiben würdest, welches Thema würde dich dann reizen?
Ich würde gerne ein Segelbuch für Frauen schreiben.
Segeln ist meine Leidenschaft und zeigt mir immer wieder meine Grenzen. Ich sehe beim Segeln auch einen großen Unterschied zwischen meinem Mann und mir. Angenommen, wir segeln zu viert – zwei Männer, zwei Frauen. Wenn wir Frauen anfangen zu kreischen, weil uns die Schräglage und die Geschwindigkeit fast zu extrem wird, dann sagen die Männer: „Jetzt fängt es bei uns erst an.“ Wir Frauen haben, glaube ich, ein anderes Sicherheitsbedürfnis.
Noch einmal zu Peggy March: Sie schreibt: „Für Träume ist man nie zu alt.“ Verrätst du uns deine beruflichen Träume?
Reisen und Arbeiten miteinander zu kombinieren, das wäre mein Traum.
Corona hat uns ja gezeigt, dass eigentlich jeder ortsunabhängig arbeiten kann. Was es braucht, ist eine stabile Internetverbindung und einen guten Rechner. Und dann könnte man von überall weiter an spannenden Themen arbeiten. Ich könnte beispielsweise auf Langfahrt gehen, auf einem Kanalboot arbeiten und leben. Da sehe ich mich in fünf Jahren.
© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
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Kommentare
Was für ein toller Artikel! Mein Papa war ein großer Fan von Peggy March und ich hab gleich ein Geburtstagsgeschenk und mit dem Interview die Verlegerin kennengelernt. Danke für Eure so inspirierenden Artikel ...
Gerne liebe Claudia!
Liebe Grüße
Sabine
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