20•10•2022 ••

Innehalten


Es gibt Wichtigeres im Leben als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.

Mahatma Gandhi


Umso älter ich werde, umso mehr ereilen mich pünktlich zum Herbstbeginn Selbstzweifel. Ärger über mich, warum ich dies und jenes in diesem Jahr wieder nicht geschafft habe, Zweifel ob ich jetzt alt (= unbeweglich im Geist) werde, weil ich Bedürfnis nach innerer Einkehr verspüre. Und schnell neige ich dazu, mich depressiv zu fühlen. Die Leistungsgesellschaft hat auch in meinem Leben tiefe Spuren hinterlassen: In Zeiten, in denen ich nicht produktiv bin, fühle ich mich oft wertlos und überlege, ob ich mich jetzt aufgebe. „STOOOOOPP, NEIN“ schreit mein innerer Coach hier. Nein, denn scheinbar scheint mein Körper mir endlich zu signalisieren, was jede*r von uns braucht.


Das Recht auf Pause, die Erlaubnis innezuhalten ...


Die Natur macht es uns schließlich vor, wie Ruhe geht: Das Abwerfen der Blätter nennt sich Abszission. Wenn den Bäumen die Sonnenenergie ausgeht, können sie kein Chlorophyll mehr produzieren, damit verschwindet das satte Grün und macht den wunderbaren Farben Platz, die wir gerade da draußen bewundern können. Nach und nach verschwindet dann auch der Transport von Wasser zum Blatt, der Baum wirft seine Blätter ab. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass an den Bäumen bereits wieder Knospen gebildet wurden, die dann im Frühjahr hervorbrechen. Die Bäume sind in Warteposition – in Warteposition auf all das Neue, was der nächste Frühling bringen wird.

Dieser Text ist teilweise inspiriert von einem Buch, das Corinne im Winter dieses Jahres in unserer Buchkolumne >> empfohlen hat: „Überwintern“ von Katherine May. Als ich im Januar dieses Buch gelesen habe, habe ich mir fest vorgenommen, den kommenden Herbst und Winter bewusst mit all ihren Chancen, die diese Jahreszeiten mit sich bringen, zu genießen.


Kein Trauern, dass das pulsierende Leben ein Ende hat, sondern ein Genießen, dass die Natur uns einlädt, innezuhalten.


Was heißt denn überhaupt innehalten?

Innehalten heißt zunächst mal, die Arbeit zu unterbrechen, aber auch nach innen gehen, um in Ruhe und Stille bei sich anzukommen und zu hören, welche Bedürfnisse gerade anstehen. Kein FOMO (Fear of Missing Out) mehr, keine Angst irgendwelche Events zu verpassen, kein Drang mehr, unbedingt noch diese eine Wanderung zu machen, denn die Natur macht es uns vor, wie Ruhe geht:


Denn auch die früher einsetzende Dunkelheit zeigt uns deutlich, dass wir runterfahren sollen, einfach mehr Ruhe geben.


Leider ist durch den Luxus des Lichts dieses deutliche Zeichen der Natur fast völlig aus unserem Leben verschwunden. Wer verbringt schon seine Abende noch bei Kerzenlicht? Wenn wir am Abend durch die Stadt laufen, sehen wir überall hell erleuchtete Wohnungen, in denen auch oft noch Bildschirme flackern. Und wer nicht vor dem Fernseher sitzt, der verbringt oft seine Zeit am Handy. Wir sollten diese Zeichen der Natur nicht übersehen und sie uns zunutze machen. Kürzere Tage bedeuten eben auch weniger Zeit für Aktivität, längere Nächte bedeuten mehr Schlaf. Und wer wie ich hin und wieder Schlafstörungen hat, könnte ja auch die Stunden in der Nacht als Raum für sich sehen: Nur jetzt haben wir Zeit, uns um all die Gedanken zu kümmern, die uns beschäftigen.

Die hohe Wirksamkeit von Pausen kennen alle, die schon mal Leistungssport betrieben haben. Jeder Trainingsplan enthält Trainingspausen, damit unser Körper Zeit hat, sich zu regenerieren und dann nach der Pause wieder voll durchzustarten. Und tatsächlich kann der Körper nach einer Pause bessere Ergebnisse erzielen.


Der Herbst und der Winter sind für mich ab jetzt die Zeit der kleinen Schritte und die Zeit für genussreiche Pausen ohne schlechtes Gewissen.


Dazu passt auch wunderbar der Songtext von Imany „Slow Down“:
... „Tu einfach dein Bestes.
Es muss nichts Großes sein.
Öffne deine Arme -
Jetzt ist die Zeit um dein Leben weiterzuleben.
Halte durch, lass dein Herz heilen
und genieß die Fahrt.

 … Beruhige dich.
Lass dir Zeit.
Alles wird gut,
wenn du die Anzeichen achtest.
Immer mit der Ruhe.
Immer mit der Ruhe. ​
Ja, beruhige dich ..."

 


DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN...

Kommentare

Brigitte
21•10•2022
Hallo ihr Lieben, eure Gedanken, Worte und die wunderschönen Fotos sprechen mir aus dem Herzen und kommen genau richtig als Erinnerung, das auch zu tun. Vielen Dank & Liebe Grüße, Brigitte
FTF, Sabine Fuchs
21•10•2022
Liebe Brigitte, wie schön, wenn wir dich inspirieren konnten ;)
Daniele
21•10•2022
So wunderschön beschrieben, nur leider lernt man es oft zu spät :-)
FTF, Sabine Fuchs
21•10•2022
Besser spät als nie, oder? Liebste Grüße durch den Slow-Herbst.
Juliane Braun
27•10•2022
Danke Ihr Lieben für den wertvollen Impuls! Es ist für mich immer wieder eine Herausforderung, die richtige Balance zwischen Aktivität und Innehalten zu finden. Nach arbeitsreichen Monaten sehne ich mich jetzt nach Entspannung. Aber meine To-Do-Liste lauert ständig im Hintergrund. Da finde ich Eure Formulierung "Das Recht, die Erlaubnis Innezuhalten" ganz wichtig. Das sage ich jetzt immer wieder meiner rastlosen "inneren Antreiberin". Wobei es jetzt auch freudige Gründe für mich gibt, aktiv zu sein - insbesondere in meinem erleuchtenden Kabarett im wunderschönen Theater Drehleier.
FTF, Sabine Fuchs
27•10•2022
Was die Natur uns vormacht, kann ja nicht so falsch sein ;). Ich wünsche dir viele produktive Pausen, damit du in deinem erleuchtenden Kabarett weiterhin leuchtest ;))

Wir freuen uns auf deinen Kommentar

*Markierte Felder sind erforderlich • Deine Email-Adresse ist nicht öffentlich sichtbar.

Ausführliche Informationen zur Datensicherheit findest du in der Datenschutzerklärung.

nach oben